
Wie sind die auf die Idee gekommen, einen Diskurstag Lehre durchzuführen und was waren die Ziele?
Eine Fachgruppe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), die sich mit der Ausbildung des Pfarrer:innen- und Religionslehrer:innennachwuchses besch?ftigt, hatte die Theologischen Fakult?ten um eine Stellungnahme zu einer geplanten ?nderung der Prüfungsordnung gebeten. In den darauffolgenden Gespr?chen in der Studienkommission der Theologischen Fakult?t Jena haben wir erkannt, dass Fragen zu Prüfungen auch immer die vorausgehende Lehre betreffen.
Deshalb haben wir in einer kleineren Arbeitsgruppe, in der Vertreter:innen aus der Studierendenschaft, aus dem Mittelbau und dem Professorium mitgewirkt haben, zun?chst überlegt, welche spezifischen Merkmale die Lehre an der Theologischen Fakult?t überhaupt auszeichnen sollte. Im Fokus stand und steht dabei auch die Exemplarit?t der Lehre für die Studierenden, die ja mehrheitlich in ihren sp?teren Berufsfeldern selbst Lehr- und Lernprozesse initiieren und gestalten.
Entstanden ist schlie?lich ein Impulspapier, in dem wir die Prinzipien guter Lehre der Universit?t für unsere Fakult?t konkretisieren und sechs Qualit?tsmerkmale theologischer Lehre festhalten. Auf ihnen sollten idealerweise die Lehrprozesse an unserer Theologischen Fakult?t basieren. Au?erdem dienen sie auch als Orientierungsrahmen für die weitere Entwicklung der Lehrpraxis. Die sechs Merkmale sind: Pluralit?t, Gegenwartsbezogenheit, Interdisziplinarit?t, Transparente Kommunikation, Selbstverantwortetes Lernen und Digitalit?t.
Natürlich wollten wir nicht einfach ein weiteres Dokument erstellen, dass dann einfach in einer Schublade landet. Vielmehr sollte und soll es zum Diskurs über Lehre anregen, auch in kritischer Auseinandersetzung mit den von uns benannten Qualit?tsmerkmalen. So haben wir überlegt, wie wir die Impulse über unsere Arbeitsgruppe hinaus bekannt machen und zugleich ein Forum schaffen k?nnen, sich darüber und über weitere aktuelle Fragen zur Lehre statusgruppenübergreifend auszutauschen. Bis dahin gab es keine Plattform für solche Gespr?che. Als wir dann von der F?rderlinie ?Entwicklungsdialog in den Fakult?ten“ der Akademie für Lehrentwicklung erfahren haben, nutzten wir die Ausschreibung als Chance, einen Diskurstag Lehre der Theologischen Fakult?t zu konzipieren und umzusetzen.
Was waren die Ziele des Diskurstages?
Zun?chst diente der erste Diskurstag im Juni 2022 dazu, in den bisherigen Prozess einzuführen und sowohl die Prinzipien guter Lehre der Universit?t als auch die erarbeiteten Qualit?tsmerkmale theologischer Lehre vorzustellen und zu diskutieren. Wichtig ist uns dabei, dass wir m?glichst viele, natürlich auch neue Studierende und Mitarbeitende, immer wieder in das Gespr?ch einbeziehen und dass dessen Potential für die Lehrpraxis deutlich wird. Der Diskurstag soll die M?glichkeit er?ffnen, an diesem Gespr?ch mitzuwirken und zur Umsetzung der Einsichten und Erkenntnisse beizutragen. Leitend ist für uns grunds?tzlich die Frage, was wir vor Ort konkret tun k?nnen, um den Studienweg bis zum Examen so zu gestalten, dass sich auf dem Weg zum Ziel wesentliche Kompetenzen für Wissenschaft und Beruf ausbilden k?nnen.
Darüber hinaus haben wir den Diskurstag von Anfang an als Auftakt verstanden, um einen nachhaltigen, alle Statusgruppen einbindenden Diskurs über Lehre an der Fakult?t zu etablieren. Dazu geh?rt auch die Reflexion und Entwicklung von Ideen und Erprobungen, um die Merkmale und Prinzipien guter Lehre im Lehralltag fruchtbar zu machen. Gerade dass der Diskurs sich zumindest mittelfristig auch auf die Lehrpraxis auswirkt und diese umgekehrt wiederum im Diskurs aufgegriffen wird, ist ein zentrales Anliegen.
Langfristig stellt der Diskurstag so schlie?lich einen zentralen Beitrag dafür dar, dass es an der Theologischen Fakult?t immer selbstverst?ndlicher wird, darüber zu sprechen, wie gute Lehre gestaltet werden kann und soll. Er bietet darin nicht nur die Chance, kontinuierlich Lehr-Lern-Prozesse zu reflektieren, sondern auf diese Weise auch immer wieder impulsgebend zu sein und die Qualit?t theologischer Lehre selbst unter stetig sich ver?ndernden An- und Herausforderungen aufrecht zu erhalten.
Wie wurde der Tag gestaltet und wer wurde mit eingebunden?
Ganz im Sinne des Ziels, ein anhaltendes Gespr?ch über Lehre zu etablieren, haben wir mittlerweile schon zwei Diskurstage durchgeführt, ein dritter ist aktuell für das n?chste Wintersemester in Planung. W?hrend das Vorbereitungsteam des ersten Diskurstages vorwiegend aus Mitgliedern des Mittelbaus bestand, haben wir beim zweiten Diskurstag darauf geachtet, Studierende, Mittelbau und Professoren gleicherma?en bei Vorbereitung und Organisation zu beteiligen. Das hat sich sehr bew?hrt, denn so konnten wir die unterschiedlichen Perspektiven und Interessen schon bei der Planung berücksichtigen.
Matthias Zach hat als externer Moderator durch den ersten Diskurstag geführt und konnte alle Teilnehmenden gleicherma?en gut einbinden. Zentrale Impulse kamen von den Fakult?tsangeh?rigen, die dann von allen diskutiert und weitergedacht wurden. Beim zweiten Diskurstag haben wir mit der Servicestelle LehreLernen kooperiert. Evelyn Hochheim stellte konkrete Umsetzungsideen für drei der Qualit?tsmerkmale vor, begleitete auch das weitere Programm und teilte am Ende einige ihrer Beobachtungen vom Nachmittag. Dokumentiert wurden beide Diskurstage von Matthias Seifert, einem Weimarer Illustrator. Die entstandenen, gro?formatigen ?Graphic-Recording“-Plakate h?ngen seitdem in der Fakult?t und dienen dort als anhaltende Denk- und Diskussionsgrundlage.
Im Mittelpunkt standen natürlich jeweils Formate, die das Gespr?ch auf Augenh?he erm?glichen und anregen. Neben kurzen Pr?sentationen gab es etwa Plenumsdiskussionen, aber auch ein Format, das wir ?Kaffeewalk“ genannt haben. Dabei sollen die Teilnehmenden sich bei einer Tasse Kaffee und Snacks zun?chst in kleineren Gruppen über das Geh?rte austauschen und dieses dann auf Pinnw?nden visuell oder mit Moderationskarten erg?nzen und weiterdenken. Zudem wurde bei beiden Diskurstagen ein World-Café mit je vier Tischen zu aktuellen Themen der Lehre angeboten.
Zu welchen Ergebnissen hat der Tag geführt?
Grundlegend l?sst sich erstmal sagen, dass durch die Diskurstage das Gespr?ch über Lehre zu einem festen Bestandteil des Fakult?tsalltags geworden ist. Das zeigt sich ja schon darin, dass weitere Diskurstage gewünscht werden und auch in Planung sind. Noch mehr aber ist die Relevanz dieses Gespr?chs in allen Statusgruppen erkennbarer geworden.
Ein weiteres Ergebnis ist die wachsende Beteiligung von Studierenden an Gespr?chen über Kriterien gelingender Lehre. Sie haben durch die Diskurstage mehr Vertrauen in ihre Urteilsf?higkeit, machen sich selbst über Lehrprozesse Gedanken und fordern auch in den Lehrveranstaltungen ein, über Lehrerfahrungen oder konkrete Potentiale der Lehre zu diskutieren.
Natürlich wurden gerade beim zweiten Diskurstag auch viele wertvolle Umsetzungsideen entwickelt, die sich direkt in der Lehrpraxis ausprobieren lie?en. Von kleinen ?nderungen bis zu kontinuierlichen Feedbackformaten haben Dozierende die angebotenen Impulse im Anschluss an den Diskurstag aufgegriffen, um ihre Lehrveranstaltungen den intendierten Zielen gem?? weiter auszubauen.
Zuletzt wirkte und wirkt der Diskurstag auch multiplikatorisch über die Fakult?t hinaus. Schon mehrere Fakult?ten innerhalb und au?erhalb Jenas haben sich bereits vom Diskurstag an der Theologischen Fakult?t Jena inspirieren lassen und teilweise sogar schon ein ?hnliches Format selbst umgesetzt.
Was würden sie anderen Lehrenden raten, die sich gerne in einem ?hnlichen Format über die Lehre an ihrer Fakult?t oder ihrem Institut austauschen m?chten?
Hilfreich ist es auf jeden Fall, wenn bereits bei der Vorbereitung die Perspektiven und Interessen aller, die dann an einem Diskurs über Lehre beteiligt sein sollen, berücksichtigt werden. Es sollten m?glichst alle, die mit Lehre zu tun haben, also Studierende und Dozierende, bereit sein, selbst aktiv zur Gestaltung und zum Austausch beizutragen. Die Vorbereitenden wirken ja auch als Multiplikatoren für ihre jeweilige Statusgruppe. Und je mehr Personen dann für die Teilnahme gewonnen werden k?nnen, desto mehr Perspektiven k?nnen berücksichtigt werden, um einen breit angelegten und fundierten Diskurs zu gew?hrleisten.
Darüber hinaus ist es unerl?sslich, eine gewisse Sensibilit?t für kommunikative Prozesse und auch für eventuell vorherrschende oder befürchtete Machtgef?lle innerhalb von statusübergreifenden Gespr?chen mitzubringen. Nur wenn es gelingt, eine Atmosph?re zu schaffen, in der die Perspektive aller in gleicher Weise gewürdigt wird, kann ein konstruktiver Dialog über Probleme und Potentiale der Lehre entstehen.
Diese Atmosph?re ?auf Augenh?he“ l?sst sich, so unsere Erfahrung, dadurch f?rdern, dass externe Personen eingebunden werden, die Impulse geben oder Gespr?che moderieren. Auch ein externer Veranstaltungsort hilft, aus den gewohnten Diskursverh?ltnissen im Lehrbetrieb auszubrechen und an einem neutralen Ort tats?chlich nochmal anders miteinander ins Gespr?ch zu kommen.
Schlie?lich lohnt es sich sehr, eine sichtbare und anregende Dokumentation der Gespr?che und Gespr?chsergebnisse sicherzustellen, z.B. als ?Graphic Recording“. Sie kann, wird sie prominent zug?nglich gemacht, auch nach der Veranstaltung zum fortw?hrenden Austausch anregen und die Umsetzung von Ideen anhaltend einfordern und erleichtern.
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Sprechzeit: Fr 13-14 Uhr und nach Vereinbarung
Feriensprechzeit: nach Vereinbarung