
Campus der Universit?t, im Hintergrund die begrünten Berge der Stadt.
Foto: Christoph Worsch (Universit?t Jena)Die Idee der Themenreihe?
Wie m?chten wir in Zukunft eine Universit?t gestalten, in der vielf?ltige Perspektiven geh?rt und miteinander verknüpft werden? Wie k?nnen wir erreichen, dass Diskriminierung in jeglichen Formen nicht mehr stattfindet? Wie schaffen wir gleiche Chancen und gleiche Zug?nge für alle? Was bedeutet ein wertsch?tzender Umgang im Universit?tsalltag? Diese und weitere Fragen kreisen um das Thema, wie wir?fair miteinander lehren, lernen, arbeiten, leben und wachsen?m?chten. Um m?gliche Antworten zu finden, laden wir ein: Sprechen wir über Fairness! Sprechen wir über Gendergerechtigkeit!?
Darüber hinaus m?chten wir die Vielfalt weiblicher Biografien an der Friedrich-Schiller-Universit?t darstellen und Einblick in die t?gliche Arbeit und Aufgabengebiete geben. Nicht nebenbei m?chten wir Frauen "ein Gesicht geben", die Sie vielleicht nur als Name auf Briefk?pfen oder als Stimme am Telefon kennen.
Eine kurze Begriffskl?rung: wenn im Folgenden von Frauen gesprochen wird, wird damit eine soziale Position(ierung) mit (un)sozialen Effekten in Geschlechterverh?ltnissen bezeichnet. Die Bezeichnung Frau ist zugleich offen und geschlossen: Offen, weil die Frau nicht auf Weiblichkeit entlang biologischer Zuschreibungskriterien reduziert werden kann, sondern durchaus offen für Geschlechtervielfalt ist. Geschlossen, weil der Begriff Frau stark heteronormativ durchtr?nkt ist und nicht selten mit Ausschluss und Verwerfung geschlechtlicher Vielfalt einhergeht. Ein Versuch den Begriff offen zu halten ist die Schreibweise mit Gendersternchen – Frau*/Frauen*–, welche im Text von Dr. Eva Tolasch genutzt wird. Beide Schreibweisen, also mit und ohne Gendersternchen, verweisen hier auf den offenen Charakter des Begriffs.
Themenfokus im Wintersemester 2021/2022: Immer noch unvereinbar in der Pandemie?
Wir sprechen in diesem Exkurs über die aktuelle Lage der Gendergerechtigkeit im Bereich der Sorgearbeit w?hrend des zweiten pandemischen Winters 2021/2022.
Portrait Anja Dragowsky
Foto: Anja DragowskyAnja Dragowsky, M.A.
Lassen Sie uns mit Ihrer Person beginnen: Wie sind Sie an die Hochschule gekommen? Was sind ihre Aufgabenbereiche?
?Ich habe an der Friedrich-Schiller-Universit?t studiert und 2008 meinen Magisterabschluss in Sozialwissenschaften gemacht. Und wie das Leben so spielt, habe ich Anfang 2009 als ?berbrückung vor dem Berufsstart, im Rahmen des Projektes ?Familie in der Hochschule“ als wissenschaftliche Hilfskraft angefangen. Aus dem Projekt heraus wurde, in Kooperation mit dem Studierendenwerk Thüringen, 2011 das Hochschul-Familienbüro gegründet – und seit seiner Gründung bin ich dort als Koordinatorin t?tig.
Die Projektarbeit war ursprünglich bei Professor Koschmieder (ehemaliger Prorektor für Lehre und Struktur) angesiedelt und er hat das Hochschul-Familienbüro in seiner Gründung oft als ?One-Stop-Agency“ bezeichnet – und dies trifft es im Grunde sehr gut.
Durch die gute Vernetzung zu den verschiedenen Akteuren inner-, aber auch au?eruniversit?r sowie die Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen im Rahmen des Vereins ?Familie in der Hochschule“, ist das Hochschul-Familienbüro eine erste Anlaufstelle für Hochschulangeh?rige mit Familie. Dabei wird Familie nicht im ?klassischen“ Sinne verstanden, sondern entsprechend der Pluralit?t von Familienformen und -phasen. Die Hochschulangeh?rigen mit ihren individuellen Betreuungsaufgaben, finanziellen Anfragen aber auch h?uslichen Pflegeaufgaben finden hier Informationen und Beratung nach Bedarf.
Neben der Beratung zum Thema Vereinbarkeit, werden auch (Familien)Veranstaltungen organisiert sowie (au?er)universit?re Veranstaltungen begleitet, neue Projekte initialisiert und beispielsweise auch die Antragstellung für das Familiensiegel sowie die Re-Zertifizierung lief über das Familienbüro.
Wie sch?tzen Sie die aktuelle Lage für Frauen (besonders in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf oder Studium und Familie) im zweiten ?Corona-Winter“ ein? Was hat sich Ihrer Meinung nach verbessert oder verschlechtert?
Das erste Corona-Jahr ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Eine ganz neue Situation und gerade Familien haben sich komplett neu organisieren müssen. Die Schlie?ung von Kindertagesst?tten und Schulen, die Umstellung auf Homeoffice, Homeschooling bis hin zu Quarant?ne – eine ganz neue Herausforderung. Und gerade für Studierende eine schwierige Situation – Prüfungsvorbereitung mit Kleinkind, ist nur bedingt vereinbar. Gab es zu Beginn noch die Option der Betreuung bei der flexiblen Betreuung JUniKinder am Campus, musste auch diese aufgrund der steigenden Inzidenzen geschlossen werden. Mit der Umstellung auf Online-Formate und den angepassten Zugangsvoraussetzungen zur (Not)Betreuung wurde zu einer vorsichtigen Entlastung der Familien beigetragen.
Daneben haben die weitreichenden Homeoffice-Regelungen und Flexibilisierungen der Arbeitszeit für viele Familien eine Vereinbarkeit von Studium/Beruf und Familie erst erm?glicht.
Ge?ndert hat sich im zweiten Corona-Jahr, dass sich Familien mittlerweile (gut) mit Homeoffice und Homeschooling arrangiert haben. Kurzfristige ?nderungen bei der Betreuung, Wechsel ins Homeoffice, weitgehende Akzeptanz Vorgesetzter zu famili?ren Verpflichtungen – dies erm?glicht den Familien oftmals erst den Spagat der Vereinbarkeit.
Was w?ren Ma?nahmen, die Ihrer Meinung nach zur Verbesserung der Situation von Frauen an der Universit?t unter den aktuellen pandemischen Gegebenheiten führen würden?
In den Beratungen geht es immer wieder auch um Frauen in der Wissenschaft, die sich im Rahmen ihrer Qualifizierung vor der Herausforderung gekürzter ?ffnungszeiten in Betreuungseinrichtungen sehen. Fehlt ein soziales Netzwerk – auch bedingt durch die 欧洲杯投注地址_明升体育-竞彩足球比分推荐beschr?nkungen – stehen diese Familien unter enormen Belastungen. Da sind Homeoffice-Regelungen und weitreichende Online-Formate sicherlich eine M?glichkeit.
Im Familienbüro unterstützen wir zudem ganz individuell beispielsweise bei der Frage des Aufbaus eines Betreuungsnetzwerkes oder auch bei der Suche nach geeigneten Babysittern, um diese Zeiten gut zu meistern und die Familien zu entlasten. Eine durch die Universit?t unterstützte Entlastung mit einem Babysitterpool auf den Eltern im Notfall (und zeitlich begrenzt) zugreifen kann oder auch eine finanziell unterstützte Ferienbetreuung für Eltern von Schulkindern, w?re sicherlich ebenso eine gute Entlastung.??
Zum Schluss nochmal ganz pers?nlich: Wie sieht bei Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus? Und wie ist Ihre pers?nliche Lage in der Pandemie?
Vereinbarkeit hei?t für mich ein H?chstma? an Flexibilit?t. Ich arbeite in Teilzeit und als Alleinerziehende mit 3 Kindern (10, 8, 6) ist dies für mich genau das richtige Ma?, um den beruflichen aber auch den famili?ren Anforderungen gerecht zu werden.
Im Familienalltag gibt es aber natürlich feste Strukturen und ein gutes soziales Netz – dann haben wir auch mal eben 4 Kinder daheim und es geht trubelig zu und manchmal sind dann nur noch 2 Kinder daheim und es ist merkwürdig still – was wir dann auch genie?en.
Wichtig ist sich Auszeiten zu nehmen und für Entlastung zu sorgen – lastet die Verantwortung nur auf einem Elternteil, umso wichtiger. Ich empfehle Eltern bewusst ?faule“ Tage einzulegen. Der Schulalltag meiner Jungs und mein Arbeitsalltag (zusammen mit den Herausforderungen des Familienalltags) sind anstrengend genug – da muss es am Wochenende zum Beispiel kein 3-G?nge-Menü sein.
Auch wenn man mit Familie gern plant – die Pandemie hat uns ein Stück weit gezeigt, dass man manches auch entspannt angehen kann. Wir haben zwei Jahre Corona und die ein oder andere Quarant?ne erlebt – auch meine Jungs sind technisch mittlerweile sehr versiert, wenn es doch mal wieder ins Homeschooling geht.
Der famili?re Zusammenhalt ist durch Corona eindeutig st?rker geworden und auch wenn Brüder manchmal ?doof“ sind – in Zeiten von 欧洲杯投注地址_明升体育-竞彩足球比分推荐beschr?nkungen und Quarant?ne lernt man Familie ganz neu zu genie?en. Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Pandemie ein Ende hat, Kinder wieder ohne 欧洲杯投注地址_明升体育-竞彩足球比分推荐beschr?nkungen ganz Kind sein dürfen, es statt (欧洲杯投注地址_明升体育-竞彩足球比分推荐)Quarant?ne ?nur“ ein einfaches Kindkrank gibt und in allen Lebensbereichen wieder Normalit?t einkehrt.
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Portrait Eva Tolasch
Foto: Eva TolaschDr. Eva Tolasch
Lassen Sie uns mit Ihrer Person beginnen: Wie sind Sie an die Hochschule gekommen? Was sind ihre Aufgabenbereiche?
Ich arbeite als Postdoc am Institut für Soziologie mit einem starken Schwerpunkt auf Geschlecht als soziale Ungleichheitsdimension. Care (insbesondere Mutterschaft), Ern?hrung, K?rpergewicht und Gewalt sind meine Forschungsschwerpunkte.
Vor der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena war ich in unterschiedlichen Positionen an Hochschulen t?tig (LMU München, Universit?t G?ttingen, Frankfurt UAS und Universit?t Innsbruck). Meine Dissertation habe ich zu dem Thema ?Die protokollierte gute Mutter in Kindst?tungsakten“ verfasst. Derzeit habilitiere ich zum Thema Fürsorgeverantwortlichkeiten zwischen ?ffentlichen Zugriff und individuellen Eigensinn im Gesundheitsfeld geschlechterkritisch reflektiert. Dies am Beispiel von S?uglingsern?hrung und K?rpergewicht.
Wie ich zu dieser Position gekommen bin? Ich habe mich auf die ?Postdoc“-Stelle beworben, da diese überaus gut vom Profil gepasst hat und mir die Arbeiten von der Arbeitsbereichsinhaberin sehr vertraut waren.
Nicht nur mein Arbeitsplatz, sondern auch das Institut für Soziologie ist aus meiner Sicht ein ganz besonders attraktiver Ort.
Die Kombination von kritischer Reflexion der Macht- und Herrschaftsverh?ltnisse und eine sehr gute Methodenausbildung, ohne dabei die Theorie zu vernachl?ssigen, ist ein gesellschaftlich relevanter wissenschaftlicher Zugang – gerade im Hinblick auf soziale Ungleichheiten. Es ist ein Ort, an dem strukturelle Position(ierung)en, die zu Ausschluss und Verwerfung entlang unterschiedlicher Differenzdimensionen – wie beispielsweise Behinderung, Generation, Geschlecht, Klasse, Milieu – führen k?nnen, kritisch fokussiert werden.
Zwei weitere doch eher pers?nliche Gründe waren retrospektiv sicherlich von enormer Bedeutung. Da das Private durchaus auch politisch ist, um den Slogan aufzugreifen, erz?hle ich gern darüber: Meine Mutter in ihrer Vorbildfunktion und die Lektüre ?H?utungen“. Wobei die eigene (un)gleiche Situiertheit in (Geschlechter-)Verh?ltnisse den Blick für bestimme Problemstellungen sch?rft.?
Ein Schlüsselerlebnis war das Buch ?H?utungen“ – ein Zusammenspiel unterschiedlicher Texte wie Tagbucheintr?ge und Gespr?chsauszüge – von Verena Stefan, welches in der Frauen- und Lesbenbewegung zu verorten ist (weitere Informationen zum Buch finden Sie hier: https://geschichtedergegenwart.ch/die-faelschungen-der-eigenen-geschichte-korrigieren-poesie-und-politik-in-verena-stefans-haeutungen/Externer Link). Das Buch habe ich damals in der Oberstufe gelesen und rezensiert. Danke an Randolf Retzlaff an dieser Stelle, meinen damaligen Klassenlehrer, der oft gesellschaftskritische Sichtweisen ins Klassenzimmer geholt hat. Und danke an den damaligen Frauenbuchladen in Hamburg-Eppendorf, der mich beim Schreiben mit weiterführender Lektüre inspiriert hat. Cloe, eine junge Frau, ist die Hauptprotagonistin des Buches und wir werden Zeug:innen, wie sie sich in patriarchalen Interaktionen, Sprechweisen etc. wiederfindet, die das Verh?ltnis zu sich und anderen (fremd-)bestimmt. Der weibliche K?rper wird einer patriarchalen Kolonialisierung ausgesetzt, von dem sie sich emanzipieren will. H?utungen. Das Script ist m?nnlich. Auch wenn das Buch aus den unterschiedlichsten Gründen kritisiert wurde, ist für mich eine Frage sehr zentral geblieben: Wenn zwei – in diesem Fall M?nner* und Frauen* – das gleiche tun, warum wird es dann unterschiedlich bewertet? Und welche Folgen hat das? Dies waren Fragen, die dann auch zentral für meine Dissertation zu Diskursen von Müttern* und V?tern* im Strafrecht wurden. Gerade das Strafrecht ist ein Feld, das h?ufig mit Neutralit?t und Objektivit?t verbunden wird und als geschlechtsneutral erscheint. Aber auch das Recht ist kulturell durchsetzt und nicht frei von Geschlechtsstereotypen. Und es ist ein besonderes Feld, was nicht zuletzt über Freiheit und Inhaftierung, wie Michel Foucault aufgezeigt hat, bestimmt.
Das andere Schlüsselerlebnis ist ganz sicher die Vorbildfunktion meiner Mutter. Sie hat mit drei Kindern alleinerziehend –?über 90 Prozent Alleinerziehende sind weiblich – ihr Studium erfolgreich abgeschlossen und mich sehr unterstützt. Dies war sicherlich auch herausfordernd für sie. Und nicht, weil sie sie ist, sondern weil sie eine Frau* ist und als Mutter ungleich positioniert wird. Die Scheidung meiner Eltern war vermutlich auch ein entscheidender Punkt, der viele Geschlechter- und Carefragen aufgeworfen hat. Wer sorgt sich? Welche materiellen Auswirkungen hat die Trennung? Wer ist da? Wer zahlt nicht? Wer entscheidet über die Kinder? Gibt es Hilfen? Welche normativen Bilder von guter Elternschaft haben diese Hilfen? Gibt es Konflikte bei der Trennung und wie werden diese ausgetragen? Haben die Kinder Mitspracherecht? Werden sie als eigenst?ndige Akteur:innen wahrgenommen? Ich erw?hne die Scheidung nicht, weil ich es dramatisch finde, wenn Eltern sich trennen, aber hier werden gesellschaftliche (Ordnungs-)Verh?ltnisse h?chst virulent, transparent und vor allem leiblich spürbar.
Und h?tte ich die Werke ?Illusion der Chancengleichheit“ (Bourdieu) und ?Illusion der Emanzipation“ (Koppetsch/Burkart) bereits in der Schule gelesen, w?ren diese sicherlich auch eine Ermunterung für die Hochschule gewesen.
Dazu: Auch Texte zur Frage, wer eigentlich (nicht) repr?sentiert wird, wer eigentlich (nicht) sprechen kann und wie zu welcher Zeit über was gesprochen werden kann, – wie wir in die ?Spiele der Wahrheit“ eingebunden sind (Foucault) –, sind zentrale Fragen, die ebenfalls auf Chancen(un)gleichheit verweisen und zeigen, dass sich intervenieren, aushandeln etc. lohnt (etwa Angela Davis, Gayatari Spivak, Barbara Duden, Judith Butler, Michel Foucault).
Wie sch?tzen Sie die aktuelle Lage für Frauen im zweiten ?Corona-Winter“ ein?
Da vor allem Frauen* empirisch gesehen ma?geblich für die Sorgearbeit von Angeh?rigen (Kinder oder die eigenen Eltern etwa), trotz aller Gleichheitsrethorik ?wir teilen uns die Arbeit“, zust?ndig sind, sind viele – nicht alle! –?Frauen* sehr hart von der Pandemie betroffen. Aber die Frauen gibt es nicht. Frauen* sind ganz unterschiedlich in gesellschaftliche Verh?ltnisse eingebunden und haben entsprechend (un)gleiche Ressourcen und Rahmenbedingungen den Alltag zu bew?ltigen. Da die Betreuung (Schlie?ung der Betreuungseinrichtungen wie Kita, Schule etc.) nicht mehr gew?hrleistet ist und fremde Hilfe in Coronazeiten aufgrund der 欧洲杯投注地址_明升体育-竞彩足球比分推荐regeln schwierig ist, trifft die Pandemie ganz sicher alleinerziehende Frauen* oder Frauen* in Partnerschaft(en), die hauptverantwortlich die Sorge um Kinder (inkl. Haushalt etc.) im Homeoffice übernehmen, besonders hart. Noch st?rker sind diese sicherlich betroffen, wenn materielle Sorgen dazu kommen und keine Care-Unterstützung von der Familie, Freund:innen und Verwandten, als auch Bekannten zu erwarten ist. Hier kann man absolut von einer Unvereinbarkeit von Beruf/Studium/Ausbildung und Familie sprechen: Wie soll es gehen für die Kinder da zu sein und gleichzeitig der T?tigkeit (Beruf, Ausbildung oder Studium) nachzugehen? Und was immer wieder unsichtbar gemacht wird, ist neben dem Sorgen auch das Mehr an Hausarbeit: Kochen, Abwaschen, W?sche, Wohnung aufr?umen. ?Vermischtes Tun“ hat Ilona Ostner das damals genannt. Zu sagen, dann kann man sich am Abend noch kümmern, funktioniert so auch nicht. Wer bew?ltigt das Chaos? Wer kümmert sich? Wer organisiert das ganze Familienprojekt? Im ?ffentlichen Diskurs schwirrt derzeit der Begriff ?Mental Load“ herum. Das familiale Gesamtmanagement – Organisation und Verantwortung – obliegt h?ufig der Frau*, auch wenn der Mann* mitmacht. Dabei lohnt sicher auch ein Blick auf die Zeitbudgeterhebung (Zeitaufwendung für Sorgearbeit von Frauen* und M?nner* klaffen enorm auseinander). Die Hauptlast der Sorge lastet auf den Schultern der Frauen*.
Dazu wurden von unterschiedlichen Studien aufgezeigt, dass es in einigen Familien, in denen es eine egalit?re Aufgabenverteilung gegeben hat, diese sich w?hrend der Corona-Pandemie zu Gunsten einer sogenannten traditionellen (das Wort ist ungeschickt – Was hei?t denn Tradition? Das Frauen* Haushalt, Kinder, Erziehung üblicherweise übernehmen?) Aufgabenteilung zwischen Mann* und Frau* verschoben hat.
Aber zurück zu den Differenzen unter Frauen*: Viele Frauen* ohne Sorge um Pflegebedürftige oder Kinder, die vorher gependelt sind und jetzt aufgrund von Homeoffice zu Hause sind, sind ggf. sogar privilegiert. Es trifft nicht alle gleich.
Und ja es gibt ganz sicher die V?ter* mit Sorgeverantwortung, die es genauso betrifft und die, die sich tats?chlich die Arbeit gemeinsam mit der Frau* teilen. Aber das sind empirisch gesehen die Ausnahmen. Sorgearbeit ist feminisiert und die harten Folgen der Coronapandemie ebenfalls. Folgen sind ?berforderung, enormer Stress, der durchaus auch krank machen kann, Leistungseinbu?en (z.B. Ver?ffentlichungen in der Wissenschaft gehen bei Frauen* zurück) und weniger Geld bis hin zur Armut (siehe Armuts- und Reichtumsbericht). Und bekannt ist auch, dass der berufliche Wiedereinstieg für Frauen* nach dem ersten Lockdown schwerer war als für M?nner* (Studie Hans-B?ckler-Stiftung).
Auch wenn jetzt viele Sorgeverantwortlichen mit Unvereinbarkeitsproblemen kaum noch laut werden oder auch wurden, hei?t es nicht, dass es kein Problem mehr ist. Ich lese das als Resignation und auch mangelnde Zeitressourcen unter diesen Umst?nden.
Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigen gesellschaftlichen Ver?nderungen, zur Verbesserung der Situation von Frauen unter pandemischen Gegebenheiten?
Grunds?tzlich: Dass Gleichstellung nicht nur ein Lippenbekenntnis ist, sondern zur Praxis wird. “Taten statt Worte“, wie es von den bewegten Frauen* so richtig hie?. Und die Anerkennung von unbezahlter Reproduktionsarbeit. Im Sinne von Barbara Duden: Liebe (etwa Klatschen!) allein reicht nicht, sondern Lohn. Es darf nicht sein, dass die, die sich um andere sorgen, nicht versorgt werden.
Das Wichtigste ist Konzepte und Ma?nahmen zu entwickeln, die die strukturellen Eingebundenheiten von Sorgenden* im Fokus haben. Dass diese Probleme nicht als individuelle Probleme behandelt werden, sondern der Blick auf die Ordnungen des Gesellschaftlichen gelegt wird.
Als Beispiel zu den Herausforderungen des universit?ren Alltags: Es müsste bei Bewerbungsverfahren tats?chlich berücksichtigt werden, dass in vielen F?llen von Sorgenden weniger Leistung (Ver?ffentlichungszahlen etwa) erbracht wurde –?dies nicht nur rhetorisch, sondern auch in der Praxis. Es müsste bei allen Stellen, die von Sorgeverantwortlichen (Kinder, Pflege von Angeh?rig:innen) besetzt werden, unabh?ngig von den vorgesetzten Personen und unabh?ngig von den genauen Stellen – bei Qualifizierungsstellen (Projekt, Haushaltsstellen, Zusatzstellen) zum Beispiel – dafür gesorgt werden, dass die Stellen verl?ngert werden. Die Hochschulen br?uchten entsprechend mehr Budget. Auch müsste solidarisch geschaut werden, wie die Arbeit ggf. anders verteilt werden kann.
Hilfefonds für private Betreuungsm?glichkeiten ohne formale Verwaltungshürden w?ren sicher auch sinnvoll. Dazu müsste die Diversit?t der Mitarbeitenden und Studierenden berücksichtigt werden. Beispielsweise gibt es viele Pendler:innen, da nützen Betreuungsangebote für Kinder in Jena zwar vielen Mitarbeitenden, aber eben nicht allen. Es müssten R?ume der Vernetzung geschaffen werden. Es k?nnte Online-Kinder- und Jugend-Betreuung für Hausaufgaben oder gemeinsames Spielen eingerichtet werden. Einige dieser und weiterer Punkte finden sich auch in der Stellungnahme des Beirats für Gleichstellungsfragen (Link: https://www.soziologie.uni-jena.de/sozmedia/genderkommission/stellungnahme-des-gleichstellungsbeirates.pdf?nonactive=1&suffix=pdf?[PDF,?284?KB]Externer Link ).
Es sollten bei allen Preisen etc. Diversit?t mitgedacht werden. Und in einer solchen Zeit auf Solidarit?t gesetzt werden und nicht auf Wettbewerb unter denen, die zeitlich und bezogen auf Ressourcen privilegiert sind. Hier ist der Vorschlag der zentralen Gleichstellungsbeauftragen – im Zuge des LiP-Awards (Lehre in Pandemiezeiten Award) – einer kollektiven Nominierung aller Sorgeverantwortlichen, die die Lehre in Pandemiezeiten aufrechterhalten haben, eine wichtige geschlechtergerechte Geste gewesen.
Und bezogen auf Rahmenbedingungen im Allgemeinen: Es gibt allgemeine Rahmenbedingungen auch schon vor der Pandemie, die in der Pandemie nochmals besonders brisant werden. Um nur drei Beispiele zu nennen:
Auch wenn die Daten und Fakten so klar nicht sind, muss berücksichtigt werden, dass Familie gerade in Zeiten von Homeoffice und Stress nicht nur ein romantischer Raum der Liebe und Fürsorge ist, sondern auch des Konfliktes, der Krise, des Streites und auch der h?uslichen Gewalt (Partner:innen) und Gewalt an Kindern.
Ganz anders gelagert – Stichwort Ehegattensplitting etwa. Wenn eine Person in Teilzeit arbeitet oder gar nicht wird diese Ungleichheit quasi begünstigt. Das sind vor allem die Frauen auf Teilzeitstellen und die, die den Haushalt machen.
Darüber hinaus müsste es fl?chendeckend – auch auf dem Lande und auch jenseits der Pandemie – qualitativ gute Betreuungs- und Bildungseinrichtungen und flexible Mobilit?t geben. Gerade auf dem Land ist die Mobilit?t (Bus, Bahn) noch eine gro?e Herausforderung. Und auch die Ganztagsbetreuung gibt es noch nicht fl?chendeckend. Es geht darum die Wahl zu haben und überhaupt entscheiden zu k?nnen Beruf und Familie vereinbaren zu k?nnen. ?
Was hat sich verbessert und verschlechtert? In Kürze: Insgesamt zeigt sich, dass bestehende geschlechtsbezogene Ungleichheiten, die es vor der Pandemie schon gegeben hat, bei vielen Betroffenen durch die Pandemie, verst?rkt werden.
Es gibt noch viel zu tun!
Zum Schluss nochmal ganz pers?nlich: Wie sieht bei Ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aus? Und wie ist Ihre pers?nliche Lage in der Pandemie?
Als Akademikerin, Pendlerin und Mutter von zwei Kindern, die derzeit doch relativ gut abgesichert ist, mit einem befristeten Vertrag (wie leider üblich im Mittelbau – betrifft über 90 Prozent der Stellen an der Hochschule – eine interessante Initiative dazu: https://mittelbau.netExterner Link #IchBinHanna #HannaOrganisiertSich), bin ich insofern privilegiert, dass mein Partner und ich uns die Sorge teilen und aushandeln k?nnen, wer, wann, was macht. K?nnen hei?t, dass es aufgrund unserer beruflichen Eingebundenheit die M?glichkeit dazu überhaupt gibt. Danke an meine Chefin, Danke an die Universit?t Jena, die hier Strukturen mit Freir?umen er?ffnet. Das erlebe ich als Privileg. Aber auch bei uns kann h?ufig von Vereinbarkeit nicht mehr die Rede sein. Das ist dann der Fall, wenn ins Homeschooling gewechselt wird oder die Schule schon wieder früher endet, weil Unterricht ausf?llt. Dann stellt sich die Frage, ob nicht auch mal jemand Drittes einspringen kann. Auch zu zweit ist es schon h?ufig nicht immer machbar.
Nehme ich das Betreuungsangebot meiner Mutter an, dass sie aushilft? Sie wohnt weiter weg. Ist das die L?sung? Dass die eigene Mutter die Hausarbeit und Sorge übernimmt? Nein. Und doch halte ich mir die Option offen. Gleichzeitig wei? ich, dass es nicht die L?sung auf dieses strukturelle Problem ist. Care-Arbeit verschiebt sich unter den Frauen* wie Elisabeth Beck-Gernsheim damals schon geschrieben hat, aber die Forderung der Frauenbewegung, dass sie empirisch auch von M?nnern* gemacht wird, davon sind wir noch sehr weit entfernt.
Eine Karriere mit befristeten Vertr?gen und ungewisser Zukunft muss man sich leisten k?nnen. Und das k?nnen nicht alle. Was ist beispielsweise mit denen, die alleinerziehend ein Kind mit starker Behinderung haben und aufgrund der Sorgeverantwortung nicht sehr flexibel, nicht abrufbereit, nicht st?ndig mobil sein k?nnen? Die Bedingungen des Feldes machen es nicht immer einfach. Die Herausforderungen sehe ich darin nicht nur Geschlechter- und Diversit?tsgerechtigkeit zu postulieren, sondern es in der konkreten Praxis lebbar zu machen. Denn: Vieles ist nicht fair, sondern zutiefst unfair! Aber da sind wir dran. Vielleicht beginnen wir mit besseren Arbeitsbedingungen: weniger befristete Stellen, angemessene Entlohnung und Absicherung bei Lehrauftr?gen, keine Titellehre mehr und demokratischere Struktur in den Instituten. Das w?re ein Gewinn für die Mitglieder der Universit?t, der Hochschule selbst und ganz besonders für die Gleichstellung!
Portrait von Luisa Conti
Foto: Luisa ContiDr. Luisa Conti?
Eine Fairness-Frage zum Einstieg...
Unser Semesterthema lautet Fair in der Pandemie, wozu wir sp?ter noch Ihre Meinung h?ren werden. Für ein kleinen Ausblick: Woran müssen Sie bei diesem Thema spontan denken?
"Der Virus handelt insofern fair, dass er sich vom ?konomischen Kapital oder der sozialen Macht einer Person nicht beeindrucken l?sst. Die?
Politiken sind auch insofern fair, dass es für alle eine Eingrenzung der eigenen üblichen Freiheit bedeutet.
Das ist aber alles, was Fairness und Pandemie verknüpft. Die negative Auswirkung der zur Eind?mmung der Verbreitung der Pandemie in Kraft getretenen Regelungen verh?lt sich proportional zu der Position der Einzelnen. Je weniger Privilegien eine Person hat, desto schwerwiegender die Auswirkung."
Frau im Fokus – Zur Person?
Ihr Weg an die Universit?t Jena
?Die Anstellung an der FSU gibt mir die Chance, zentralen Fragestellungen zur Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft nachzugehen. Es ist mir wichtig, dass meine Erkenntnisse auch in der Alltagswelt ankommen und dort eine Auswirkung haben.“
Dr. Luisa Conti arbeitet seit 2006 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena im Bereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation und ist dort am Institut DAF/DAZ und Interkulturelle Studien besch?ftigt. Zuvor absolvierte sie bis 2003 in Italien an der Università degli Studi di Udine ihr Studium der Relazioni Pubbliche, einem interdisziplin?ren Studiengang an der Schnittstelle zwischen Kultur-, Kommunikations-, Wirtschaftswissenschaften und Soziologie mit internationaler Ausrichtung.
Seit 2007 arbeitet sie als Interkulturelle Trainerin, Coach und Projektleiterin für Unternehmen, NGOs, Vereine und staatliche Institutionen, was den gr??ten Teil ihrer au?eruniversit?ren Berufserfahrung darstellt. Hervorzuheben ist ihre darauffolgende binationale Promotion, welche sie 2012 sowohl an der Universit?t Jena im Bereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation als auch an der Universit?t Padua (Italien) im Bereich Interkulturelle P?dagogik abschloss. Aus ihrer Dissertation Webbasierte interkulturelle dialogische Interaktion. Entwicklung eines reflexiv-orientierten Modells ging im Anschluss die Monographie Interkultureller Dialog im virtuellen Zeitalter. Neue Perspektiven für Theorie und Praxis hervor. Mit ihrer Habilitationsschrift Inklusion durch Dekonstruktion. Der dialogische Ansatz zur Verwirklichung von Inklusion im Bildugnsbereich setzt Frau Conti den Fokus auf Schule und insbesondere auf die interkulturelle Kompetenzentwicklung für Lehrkr?fte.?
Aktuelle Herausforderungen
Die ambitionierte interdisziplin?re Forscherin war bis zu seiner Vollendigung mit der Leitung des dreij?hrigen Erasmus+ Aktionsforschungsprojektes SHARMED Deutschland (SHARed MEmories and Dialogues) betraut. Eines ihrer Hauptaufgabengebiete ist die Verbreitung und Weiterentwicklung der Projektergebnisse zur Innovation im Bildungsbereich, was an ihren bisherigen Werdegang anknüpft. Sowohl in der Wissenschaft mit Publikationen, Vortr?ge, Lehrveranstaltungen als auch im p?dagogischen Bereich mit Workshops und Trainings findet das Projekt durch Frau Conti seinen Nachklang. Zudem basiert ihre bereits erw?hnte Habilitationsschrift auf Erkenntnissen des SHARMED-Projekts. Ein weiterer momentaner Schwerpunkt liegt in ihrer Arbeit als Dozentin
im Bereich Interkulturelle Kommunikation und Interkulturelle Bildung.
Aktuell steht Frau Conti vor neuen Herausforderungen: Nach einer erfolgreiche Drittmittelakquise ist im November das Forschungsverbund ReDICo (Researching Digital Interculturality Co-operatively) erfolgreich aufgestellt worden; als Mitglied dessen widmet sich Frau Conti hier der interkulturellen Kommunikation im virtuellen Raum. Im April 2021 startete au?erdem KIDS4ALLL (Key Inclusive Development Strategies for Life Long Learning), wofür Frau Conti die Verantwortung der zu entwickelnden internationalen E-Learning-Plattform tr?gt. Wir wünschen einen guten Start und spannende Erkenntnisse!
Und worüber forschen Sie?
Schwerpunkte ihrer Forschung stellen für Luisa Conti also die gesellschaftliche Koh?sion zwischen Exklusion und Inklusion, die interkulturelle ?ffnung von Institutionen aber auch interkulturelles Lernen und interkultureller Dialog, interkulturelle Kompetenz im Bildungsbereich und digitale Innovationen in der Lehre dar.
Die eingangs zitierte Aussage von Frau Conti dokumentiert ihren Willen, ein inklusives Verst?ndnis in der Alltagswelt der Gesellschaft zu etablieren. So engagiert sie sich nebenberuflich und ehrenamtlich im zivilgesellschaftlichen Bereich für eine gerechte, demokratische und solidarische Gesellschaft, in der jeder Mensch als gleichwertiges und einzigartiges Individuum anerkannt wird, dem die M?glichkeit geboten ist, sich einzubringen und sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Aus der Leidenschaft für internationalen Austausch nimmt Luisa Conti immer wieder Forschungsaufenthalte und Gastdozenturen im Ausland wahr. Bisher verbrachte sie l?ngere Zeit in Mexiko, Chile und Italien. Wichtig ist für sie auch die F?rderung der internen Zusammenarbeit an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena, unter anderem im Rahmen des Diversity Days, im Bereich der Lehrer:innenbildung und mit dem Fachbereich DAF/DAZ – ein Engagement, durch das sie Synergien freisetzen und st?rken m?chte.
Stichwort Gleichstellung
In Sachen Gleichstellung und Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist Frau Conti ein Beispiel für sich ?ndernde und auf Gleichberechtigung abzielende Rollenverteilungsmodelle. Sie selbst beschreibt die Situation wie "in einer traditionellen (Wissenschaftler-)Familie – nur ist unser Modell 'anders herum'": Ihr Partner ist Hauptbezugsperson für die Kinder und hauptverantwortlich für die Hausarbeit. Au?erdem ber?t er Luisa Conti in Bezug auf wissenschaftliche Projekte und hilft beim Korrekturlesen ihrer Publikationen. Auf diese Weise schafft es Luisa Conti als Mutter, als Nicht-Muttersprachlerin und als Pendlerin wissenschaftliche wie pers?nliche Interessen und Pflichten zu vereinen. Aber auch Contenance und Selbstdisziplin seien dafür unabdingbar, fügt sie augenzwinkernd hinzu.
Fair in der Pandemie
Wie sch?tzen Sie die Lage für Frauen ein?
"Die Pandemie hat klar gezeigt, dass unsere Gesellschaft sich von der patriarchalen Tradition immer noch nicht emanzipiert hat. Die Daten zeigen beispielsweise, dass die fehlende externe Betreuung der Kinder meistens den Frauen zu lasten f?llt, was berufliche Folgen als auch erh?hte psychische Belastung mit sich tr?gt. Insbesondere Alleinerziehende sind gef?hrdet: ihre fragilere Lage bricht schnell unter den gleichzeitig auszuführenden Aufgaben Kind(er) zu betreuen und arbeiten zu gehen. Da sind starke Netze von N?ten, die aber gerade in Zeit der physischen Distanzierung verschwinden. Vom Armut sind Familien mit beiden Eltern seltener betroffen, jedoch h?uft sich die wirtschaftliche Abh?ngigkeit von Frauen gegenüber deren M?nnern in Heterofamilien. Diese Abh?ngigkeit, addiert zu erh?htem Stress-Level, geschw?chte soziale Netze und verengten Wohnverh?ltnissen, erh?hte h?usliche Gewalt, w?hrend Hindernisse zum Hilferuf gr??er werden."
Und wenn Sie durch Zauberhand eine Ma?nahme für mehr Fairness in der Pandemie ergreifen bzw. etwas ver?ndern k?nnten, was w?re es?
"Sch?ne Wohnprojekte zu schaffen, die untereinander isoliert, jedoch innerhalb funktionierende, solidarische soziale Systeme sind. Dadurch haben Kinder mehrere Bezugspersonen (sowie andere Kinder) und die Care-Arbeit wird geteilt."
Und zuletzt noch einmal ganz pers?nlich...
Wenn Sie auf einer einsamen Insel w?ren, welches Buch würden Sie mitnehmen?
"Ein Buch, das mir das Wissen gibt, dort zu überleben oder sogar gut zu leben! Ich merke, dass das Leben in der vorgefertigten, bequemen Gesellschaft mich abh?ngig vom leichten Konsum gemacht hat, ignorant darüber, wie ohne die Dinge und die Dienste das Leben funktionieren kann. Das Wissen, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde, ist bei mir wenig angekommen. Jedoch denke ich, dass einiges Wissen, das in meiner Generation und in meiner Sozialisation als Frau als nicht nützlich eingestuft wurde, doch aktuell aufgewertet wird und hoffe ich, dass zu Gunsten eines ?kologischen Wandels auch vermehrt und geschlechterübergreifend tradiert wird. Also die Erfahrung auf einer einsamen Insel f?nde ich nicht schlecht. Aber gibt es dort auch Netz?"
Mehr über Dr. Luisa Conti finden Sie auf Ihrer WebseiteExterner Link und auf den Seiten des Bereichs IWKExterner Link (Interkulturelle Wirtschaftskommunikation der Universit?t Jena).
ver?ffentlicht im Juni 2021
Portrait Barbara ?hnlich
Foto: Anne Günther (Universit?t Jena)PD Dr. Barbara Aehnlich
Eine Fairness-Frage zum Einstieg...
Unser Semesterthema lautet Fair in der Pandemie, wozu wir sp?ter noch Ihre Meinung h?ren werden. Für ein kleinen Ausblick: Woran müssen Sie bei diesem Thema spontan denken?
"An die Familien und vor allem die Alleinerziehenden, die es seit einem Jahr extrem schwer haben, wenn sie alles vereinbaren wollen."
Frau im Fokus – Zur Person?
Der Bildungsweg in Jena?
Bereits ihre Schulzeit verbrachte PD Dr. habil. Barbara Aehnlich in Jena, woran sich bis zum Jahr 2000 ihr Studium der Rechtswissenschaften an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena anschloss. Aufgrund eines gestiegenen Interesses an sprach- und literaturwissenschaftlichen Zusammenh?ngen entschied sie sich für einen Wechsel zum Magisterstudium der Germanistik, Rechtswissenschaften und Psychologie, das sie 2004 mit sehr gutem Erfolg beendete. Als Frau Aehnlich im selben Jahr mit ihrer Promotion begann, erhielt sie ein einj?hriges Frauenf?rderstipendium der Universit?t Jena. 2011 wurde sie dann mit der ausgezeichneten Dissertation Die thüringische Flurnamenlandschaft – Wege zu ihrer Erforschung promoviert. 2019 folgte ihre Habilitation mit ihrer Arbeit Verteüt?cht das yeder die mag le?en? Die sprachliche Vermittlung neuer Rechtsinhalte im Zuge der Rezeption des r?mischen Rechts für Rechtspraktiker. Dargestellt am Beispiel des Klagspiegels Conrad Heydens und des Laienspiegels Ulrich Tenglers. Im November 2019 hielt sie ihren ?ffentlichen Habilitationsvortrag über Gewohnheit und Recht. Die Paarformel in der Rechtspraktikerliteratur der Frühen Neuzeit an der Universit?t Jena.
Und wie ging es beruflich weiter?
Frau Aehnlichs berufliche Karriere begann 2005 mit der Anstellung als Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena; eine T?tigkeit, die sie bis 2019 ausübte. Eine weitere Stelle als Wissenschaftliche Mitarbeiterin hatte sie von 2016 bis 2017 in der Gesch?ftsstelle des Thüringer Kompetenznetzwerks Gleichstellung (TKG) inne. Zudem arbeitete Frau Aehnlich als selbst?ndige Lektorin für den VKU-Verlag und wirkte mehrmals als externe Lehrbeauftragte an der Universit?t Klagenfurt. Seit 2015 fungiert Frau Aehnlich als Koordinatorin des von ihr mitbegründeten DHnet Jena, welches sich fakult?ts- und institutionenübergreifend mit dem Themengebiet der Digital Humanities (DH) auseinandersetzt. Sie verantwortet am Institut für Germanistische Sprachwissenschaft die Institutspartnerschaft mit der Universit?t Kutaissi (Georgien) und engagiert sich sehr für den wissenschaftlichen und kulturellen Austausch. Nachdem Frau Aehnlich zun?chst die Professur für Geschichte der deutschen Sprache an der Universit?t Jena und darauffolgend die Professur für eHumanities an der Universit?t Halle-Wittenberg vertrat, arbeitet sie seit?April 2021 an einem neuen Projekt mit: Data Literacy. Was das ist? Data Literacy ist die F?higkeit, planvoll mit Daten umzugehen und sie im jeweiligen Kontext bewusst einsetzen und hinterfragen zu k?nnen. Ziel ist es diese Datenkompetenz im Curriculum aller Studierenden an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena zu verankern. Wir wünschen ein gutes Gelingen!
Schwerpunkte in Forschung und Lehre
Dem Thema ihrer Promotion folgend übernahm Frau Aehnlich 2006 die wissenschaftliche Betreuung des Projektes Flurnamen und Regionalgeschichte beim Heimatbund Thüringen e.V. In diesem Projekt sammeln über 350 ehrenamtliche Sammler:innen unter ihrer Anleitung die Flurnamen ihrer Heimatorte und ordnen sie nach vorgegebenen Kriterien.? ??
W?hrend ihrer Habilitationszeit war Barbara Aehnlich Mentee im Jenaer Mentoring-Programm für Postdoktorandinnen; sie erhielt zudem F?rderungen vom damaligen Prorektorat für Forschung aus dem Programm zur F?rderung der Drittmittelf?higkeit und im Rahmen von ProChance, einer F?rderlinie zur F?rderung der Berufungsf?higkeit von Frauen.
Forschungsschwerpunkte von Frau Aehnlich sind die (Historische) Rechtssprache, Digital Humanities, Onomastik, Korpuslinguistik, Genderlinguistik und Frühneuhochdeutsch. Ihre entsprechende Publikationsliste ist lang und reicht von dialektologischen Fragestellungen über Ausführungen zur frühneuhochdeutschen Rechtssprache bis hin zu Untersuchungen zur Benennung von Haustieren durch Kinder.
Neben der Forschungst?tigkeit liegt ein Schwerpunkt ihres Wirkens auf der universit?ren Lehre. Hier sind vor allem die Projektseminare zu erw?hnen, in denen Studierende sich mit den Namenlandschaften Thüringens befassen und Feldforschung betreiben oder sich mit den Aufzeichnungen von Frauen aus dem letzten Jahrhundert befassen und dabei ganz "nebenbei" das Lesen historischer Dokumente erlernen.
Karriere und Kinder?
Frau Aehnlich, die bereits w?hrend des Jurastudiums ihre beiden Kinder bekam, war seit der sp?ten Promotionsphase alleinerziehend. Spannend ist dabei aus Gleichstellungsperspektive, dass Frau Aehnlich diese Phase zwar durchaus als herausfordernd erlebte, aber auch viel Unterstützung seitens ihrer Familie und der Universit?t erfuhr. Da ihre S?hne nun erwachsen sind, sieht sich die Wissenschaftlerin inzwischen in einer sehr vorteilhaften Position: "Ich kann nun wieder der Flexibilit?t des Wissenschaftssystems genügen. Das ist ein 'Luxus', den andere frisch habilitierte Frauen mit kleinen Kindern so nicht haben."
Fair in der Pandemie
Wie sch?tzen Sie die Lage für Frauen ein. Wenn Sie durch Zauberhand eine Ma?nahme für mehr Fairness in der Pandemie ergreifen bzw. etwas ver?ndern k?nnten, was w?re es?
"Ich glaube, wir sind in einigen Punkten wieder deutlich schlechter geworden. Vor allem Mütter arbeiten seit der Pandemie doppelt und dreifach, um alles zu schaffen, und sie geraten damit oft über ihre Grenzen hinaus. Sie arbeiten oft in den nun als "systemrelevant" eingestuften, aber schlecht bezahlten Berufen und sind einem besonderen Ansteckungsrisiko ausgesetzt. In zahlreichen Familien sind sie nun st?rker als zuvor h?uslicher Gewalt ausgesetzt. Es gibt viele Probleme, die besonders Frauen hart treffen.
Und wenn ich zaubern k?nnte, dann würde ich diese F?higkeit einsetzen für:
- Faire L?hne statt warmer Worte aus der Politik;
- funktionierende Hygienekonzepte für Schulen und Kitas, damit die Kinder betreut werden k?nnen
- Ausbau von Beratungen und M?glichkeiten für von Gewalt betroffene Familien"
Und zuletzt noch einmal ganz pers?nlich...
Wenn Sie auf einer einsamen Insel w?ren, welches Buch würden Sie mitnehmen?
"Schwierig. Da die meisten Bücher doch irgendwann langweilig würden, würde ich mir ein Georgisch-Lehrbuch mitnehmen, da ich diese Sprache schon sehr lange lernen m?chte. Sonst vielleicht noch ein Buch, das ich regelm??ig immer mal wieder lese, weil es so sch?n, so lustig, so tragisch, so klug ist: 'Garp und wie er die Welt sah' von John Irving."
Mehr über PD Dr. Barbara Aehnlich finden Sie auf den Seiten des Instituts für Germanistische SprachwissenschaftExterner Link der Universit?t Jena.
ver?ffentlicht im April 2021
- Geschlechterpolitik in Zeiten von Corona – UmfrageergebnisseExterner Link
- Die Krise der M?nnerExterner Link
- Systemrelevanz der Care-ArbeitExterner Link
- Familien- und Erwerbsleben in der Corona-PandemieExterner Link
- Effects of the pandemic on female researchersExterner Linken
- Familien in der Corona-KriseExterner Link
- Gender Equality Report in the EU 2021Externer Linken