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Meldung vom: | Verfasser/in: Lavinia Meier-Ewert
Der photonische Chip nutzt Zeit-Bin-Kodierung, um mehr Information pro Photon zu übertragen.
Foto: Stela Todorova/ Leibniz-IPHTOb in der Medizin, in Beh?rden oder in der Industrie: ?berall dort, wo Informationen besonders geschützt werden müssen, k?nnte Quantenkommunikation künftig einen wichtigen Beitrag leisten. Sie übertr?gt keine elektrischen Signale, sondern einzelne Lichtteilchen – sogenannte Photonen –, die in speziellen quantenphysikalischen Zust?nden verschr?nkt sind. Ein wesentlicher Vorteil: Jeder Eingriff in das System – etwa durch Abh?ren – ver?ndert den Zustand der Photonen und macht den Zugriff messbar.
Damit Quantenkommunikation nicht nur im Labor funktioniert, sondern auch im Alltag einsetzbar ist, müssen noch zentrale technische Hürden überwunden werden. Zwei davon haben Forschende aus Jena und Kanada gemeinsam mit einem internationalen Team untersucht: Wie l?sst sich mehr Information pro Lichtteilchen übertragen? Und wie bleibt das Signal auch über gro?e Entfernungen hinweg stabil – trotz der physikalischen Effekte, die bei der Ausbreitung durch Glasfasern auftreten?
Antworten darauf liefern zwei aktuelle Studien, ver?ffentlicht in Nature Communications und Physical Review Letters. Darin pr?sentieren Forschende aus Jena und Kanada neuartige Verfahren, die die Informationsdichte pro Photon deutlich steigern und gleichzeitig eine stabile Quantenverbindung über gro?e Distanzen erm?glichen, mit Technologien, die sich in bestehende Glasfasernetze integrieren lassen.
Lichtteilchen als Datenboten: Informationen durch ?Time Bins“
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die sogenannte Zeit-Bin-Kodierung: Dabei tragen Photonen Information über ihre exakte Ankunftszeit – also darüber, in welchem winzigen Zeitfenster (?Time Bin“) sie detektiert werden. Bisher waren meist nur zwei Zeitfenster unterscheidbar. Das Forschungsteam entwickelte nun eine photonische Plattform, die bis zu acht solcher Time Bins pro Photon gleichzeitig nutzen kann und damit die Datenrate deutlich erh?ht.
?Man kann sich das wie ein Schubladensystem vorstellen“, erkl?rt Juniorprof. Dr. Mario Chemnitz vom Institut für Angewandte Optik und Biophysik der Uni Jena und vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien (Leibniz-IPHT). ?Statt nur einer Schublade lassen sich nun mehrere parallel ?ffnen – dadurch k?nnen mehr Informationen gleichzeitig übertragen werden.“
Die Plattform wurde im Rahmen einer in Nature Communications ver?ffentlichten Studie entwickelt, die vom Institut National de la Recherche Scientifique (INRS) in Kanada und dem Leibniz-IPHT geleitet wurde. Sie basiert auf einem eigens entworfenen photonischen Chip mit winzigen Interferometern aus Siliziumnitrid, einem Material, das sich besonders gut für integrierte Lichtführung eignet. Diese Struktur erzeugt und verarbeitet verschr?nktes Licht auf kleinstem Raum und nutzt dabei Standardkomponenten aus der Telekommunikation. Das System wurde erfolgreich über 60 Kilometer Glasfaser getestet, eine typische Entfernung zwischen zwei Netzknoten. In Zukunft k?nnten damit mehr Nutzende gleichzeitig kommunizieren, sicher und mit hoher Datenrate.
Stabile Quantenverbindungen über weite Strecken
Eine zweite Herausforderung: Mit wachsender Entfernung wird das Signal anf?lliger – unter anderem durch Dispersion, einen physikalischen Effekt, der Lichtpulse zeitlich auseinanderzieht. Das erschwert die pr?zise Unterscheidung der Zeitfenster. Die zweite Studie, ver?ffentlicht in Physical Review Letters, zeigt, wie sich dieser Effekt kompensieren l?sst: Das Team analysierte nicht nur den Abstand zweier Photonen, sondern auch ihre gemeinsame Ankunftszeit. Diese sogenannte Summenkorrelation bleibt auch bei starker Dispersion stabil und konnte nun erstmals gezielt genutzt werden. So lie? sich die Reichweite einer verschlüsselten Quantenverbindung auf bis zu 200 Kilometer Glasfaser?quivalent erweitern, mit h?herer Signalqualit?t und Sicherheit.
?Mit der ersten Studie zeigen wir, wie sich mehr Informationen pro Photon übertragen lassen. Die zweite zeigt, wie diese Informationen auch in realistischen Fasernetzwerken zuverl?ssig ankommen“, erkl?rt Chemnitz. ?Beide Ergebnisse erg?nzen sich. Sie bringen uns n?her an eine sichere Kommunikation, die mit bestehender Infrastruktur funktioniert.“
Von der Grundlagenforschung zur Anwendung
Die beiden Ans?tze greifen ineinander: W?hrend der eine die Informationsmenge erh?ht, sorgt der andere für mehr Stabilit?t. ?Wir arbeiten daran, Quantenkommunikation praxistauglich zu machen – mit Systemen, die sich in bestehende Glasfasernetze integrieren lassen“, sagt Mario Chemnitz. Für ihn steht das Zusammenspiel von Grundlagenforschung und technischer Anwendung im Mittelpunkt: ?Was wir entwickeln, soll sich irgendwann auch im Alltag bew?hren – in der Diagnostik, in der Kommunikation, vielleicht sogar in autonomen Sensoren.“
Mit seiner Nachwuchsgruppe Smart Photonics am Leibniz-IPHT forscht Mario Chemnitz an der Schnittstelle von nichtlinearer Optik, maschinellem Lernen und neuromorpher Datenverarbeitung – also der Informationsverarbeitung nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns. Ziel ist es, Informationen mit Licht nicht nur übertragen, sondern auch analysieren und interpretieren k?nnen, etwa für ultraschnelle Diagnostik oder energieeffiziente optische Rechner.
Original-Publikationen:
Yu, H., Sciara, S., Chemnitz, M., Montaut, N., Crockett, B., Fischer, B., Helsten, R., Wetzel, B., Goebel, T. A., Kr?mer, R. G., Little, B. E., Chu, S. T., Nolte, S., Wang, Z., Aza?a, J., Munro, W. J., Moss, D. J., & Morandotti, R. (2025). Quantum key distribution implemented with d-level time-bin entangled photons. Nature Communications, 16, Article 171. DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-024-55345-0Externer Link
Yu, H., Crockett, B., Montaut, N., Sciara, S., Chemnitz, M., Chu, S. T., Little, B. E., Moss, D. J., Wang, Z., Aza?a, J., & Morandotti, R. (2025). Exploiting nonlocal correlations for dispersion-resilient quantum communications. Physical Review Letters, 133(20), 200601. DOI:?https://doi.org/10.1103/PhysRevLett.134.220801Externer Link ?