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Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Sch?nfelder
Numerische Simulation, die die Krümmung der Raumzeit w?hrend der Verschmelzung der beiden schwarzen L?cher darstellt.
Foto: AG Bernuzzi/Universit?t JenaEin Forschungsteam aus Jena und Turin (Italien) hat die Entstehung eines ungew?hnlichen Gravitationswellensignals rekonstruiert: Wie die Forschenden in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins ?Nature Astronomy“ schreiben, kann das Signal GW190521 aus der Verschmelzung zweier schwerer Schwarzer L?cher resultieren, die sich gegenseitig mit ihrem Gravitationsfeld eingefangen haben und anschlie?end in schneller, exzentrischer Bewegung umeinander kollidierten (DOI: 10.1038/s41550-022-01813-w).
Wenn Schwarze L?cher im Universum aufeinanderprallen, dann beben Raum und Zeit: Die bei der Verschmelzung freiwerdende Energiemenge ist so gro?, dass sie die Raumzeit in Schwingung versetzt – ?hnlich wie Wellen auf einer Wasseroberfl?che. Diese Gravitationswellen breiten sich durch das gesamte Universum aus und lassen sich auch in Tausenden von Lichtjahren Entfernung noch messen – so wie am 21. Mai 2019, als die beiden Gravitationswellenobservatorien LIGO (USA) und Virgo (Italien) ein solches Signal einfingen. Das nach dem Datum seiner Entdeckung GW190521 benannte Gravitationswellenereignis hat seither in der Fachwelt für Gespr?chsstoff gesorgt, da es sich von den zuvor gemessenen Signalen deutlich unterscheidet.
Das Signal war zun?chst so interpretiert worden, dass es sich bei der Kollision um zwei Schwarze L?cher handelte, die sich auf nahezu kreisf?rmigen Bahnen umeinander bewegen. ?Solche bin?ren Systeme k?nnen durch eine Reihe astrophysikalischer Prozesse entstehen“, erkl?rt Prof. Dr. Sebastiano Bernuzzi, theoretischer Physiker von der Universit?t Jena. So seien die meisten von LIGO und Virgo entdeckten Schwarzen L?cher stellaren Ursprungs. ?Das hei?t, sie sind die ?berreste von massereichen Sternen in Doppelsternsystemen“, so Bernuzzi weiter, der die aktuelle Studie leitete. Solche Schwarzen L?cher umrunden einander auf quasi kreisf?rmigen Bahnen, so wie es die ursprünglichen Sterne zuvor auch schon taten.
Ein Schwarzes Loch f?ngt ein zweites ein
?GW190521 verh?lt sich aber deutlich anders“, macht Rossella Gamba deutlich. Die Erstautorin der Publikation promoviert im Jenaer Graduiertenkolleg 2522 und geh?rt zu Bernuzzis Team. ?Seine Morphologie und seine explosionsartige Struktur unterscheiden sich extrem von früheren Beobachtungen.“ Also machten sich Rossella Gamba und ihre Kollegen auf die Suche nach einer alternativen Erkl?rung für das au?ergew?hnliche Gravitationswellensignal. Mit einer Kombination aus modernsten analytischen Methoden und numerischen Simulationen auf Supercomputern berechneten sie unterschiedliche Modelle für die kosmische Kollision. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass diese statt auf einer quasi kreisf?rmigen auf einer stark exzentrischen Bahn erfolgt sein musste: Ein Schwarzes Loch bewegt sich dabei zun?chst ungebunden in einer relativ dicht mit Materie gefüllten Umgebung und kann, sobald es in die N?he eines anderen Schwarzen Loches gelangt, von dessen Gravitationsfeld ?eingefangen“ werden. Auch dies führt zur Entstehung eines bin?ren Systems, allerdings bewegen sich die beiden Schwarzen L?cher hier nicht kreisf?rmig, sondern exzentrisch, in taumelnden Bewegungen umeinander.
?Ein solches Szenario erkl?rt die Beobachtungen deutlich besser als jede andere bisher vorgestellte Hypothese. Die Wahrscheinlichkeit liegt bei 1:4300“, sagt Matteo Breschi, Doktorand und Koautor der Studie, der die Infrastruktur für die Analyse entwickelt hat. Und Postdoktorand Dr. Gregorio Carullo erg?nzt: ?Auch wenn wir derzeit noch nicht genau wissen, wie oft solche dynamischen Begegnungen von Schwarzen L?chern überhaupt vorkommen, rechnen wir nicht damit, dass sie h?ufig passieren.“ Das mache die aktuellen Ergebnisse umso spannender. Dennoch bedarf es noch weiterer Forschungsarbeit, um die Entstehungsprozesse von GW190521 zweifelsfrei aufzukl?ren.
Teamwork im Graduiertenkolleg
Für das aktuelle Projekt haben die Teams in Jena und Turin (im Rahmen des von der DFG gef?rderten Jenaer Graduiertenkollegs 2522 ?Dynamics and Criticality in Quantum and Gravitational SystemsExterner Link” einen allgemein-relativistischen Rahmen für die exzentrische Verschmelzung von Schwarzen L?chern entwickelt und die analytischen Vorhersagen mit Simulationen der Einsteinschen Gleichungen überprüft. Erstmals kamen bei der Analyse von Gravitationswellen-Beobachtungsdaten Modelle von dynamischen Begegnungen zum Einsatz.
Original-Publikation:
Gamba, R., Breschi, M., Carullo, G.?et al. GW190521 as a dynamical capture of two nonspinning black holes. Nat Astron (2022). https://doi.org/10.1038/s41550-022-01813-wExterner Link