- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
Bei der Beobachtung unseres Erdsystems greifen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zunehmend auf Künstliche Intelligenz zurück. Auf diese Weise l?sst sich beispielsweise das Wetter genauer vorhersagen oder vor Naturereignissen, wie etwa ?berschwemmungen, warnen. Doch für die meisten KI-Modelle sind unsere Erde und die auf ihr stattfindenden Prozesse zu komplex – erst recht, wenn sie sich so rasant ver?ndern wie derzeit durch den Klimawandel.
Ein Forschungsteam der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena, des Universit?tsklinikums Jena, des Max-Planck-Instituts für Biogeochemie in Jena sowie des Senckenberg Instituts für Pflanzenvielfalt Jena will deshalb KI-Modelle entwickeln, die zuverl?ssig unter sich permanent ?ndernden Rahmenbedingungen funktionieren. Wie die Carl-Zeiss-Stiftung nun bekannt gegeben hat, unterstützt sie das neue Projekt ?AI Generalizability in Non-stationary Environmental Regimes: The Case of Hydro-climatic Extremes (GENAI-X)??en im Rahmen ihres F?rderprogramms ?CZS Durchbrüche? für fünf Jahre mit insgesamt rund sechs Millionen Euro. Das Projekt geht aus der ELLIS Unit JenaExterner Link hervor, ist also Teil des europaweiten KI-Exzellenznetzwerks ?European Laboratory for Learning and Intelligent Systems?.
Hangrutsche vorhersagen
In ihrem Vorhaben verbinden die Jenaer Forschenden zwei Arbeitsstr?nge miteinander: Zum einen wollen sie KI-basierende Methoden grundlegend weiterentwickeln, damit sie in komplexen und sich ver?ndernden Umweltsystemen Anwendung finden k?nnen. Zum anderen wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler diese neuen Modelle in der praktischen Umweltforschung erproben – insbesondere im Kontext hydro-klimatischer Extremereignisse wie Hochwasser, Dürren oder Erdrutschen.
?Im Gegensatz zu vielen anderen Anwendungsgebieten sollte ein KI-Modell, das für solche Anwendungen genutzt wird, nicht ausschlie?lich auf Daten aus vergangenen Ereignissen basieren, sondern darüber hinaus sich im Raum oder über die Zeit ?ndernde Rahmenbedingungen und Wirkmechanismen berücksichtigen?, erkl?rt Prof. Dr. Alexander Brenning, der das Projekt an der Universit?t Jena koordiniert. ?Eine solche Generalisierbarkeit von KI-Systemen hilft beispielsweise dabei, Modelle zu entwickeln, die unabh?ngig von bestimmten Orten oder ohne zeitliche Einschr?nkungen funktionieren.
Mit ihrer Hilfe sollten sich zum Beispiel Hangrutsche in einer bestimmten Gegend anhand ?hnlicher Ereignisse in anderen Regionen mit besserer Datenlage vorhersagen lassen. Oder sie sollte die Gefahr eines Hangrutsches in einer bestimmten Region prognostizieren k?nnen und dabei nicht nur auf die ?rtlichen Bedingungen w?hrend vergangener Ereignisse dieser Art zurückgreifen, sondern beispielsweise auch etwa eine ver?nderte Landnutzung oder ver?nderte Umweltbedingungen, wie die H?ufigkeit oder die Intensit?t von Starkregenereignissen, einbeziehen.
Umweltprozesse und Künstliche Intelligenz miteinander verbinden
Für seine Arbeit kombiniert das Team, das sowohl aus Geowissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern sowie aus Informatikerinnen und Informatikern besteht, verschiedene KI-Methoden miteinander. ?Wir verfolgen einen hybriden Modellierungsansatz, bei dem wir beispielsweise KI mit physikalischen, hydrologischen oder ?kologischen Gesetzen verbinden?, erkl?rt der Jenaer Geoinformatiker. ?Aktuelle KI kann zwar Muster erkennen, versteht aber nicht, warum etwas passiert, und funktioniert dementsprechend unzuverl?ssig, wenn die Datenlage dünn ist oder sich Rahmenbedingungen ver?ndern. Physikalischen Modellen liegen Unmengen von Parametern zugrunde, die meist unvollst?ndig bekannt sind, was ihre Vorhersagekraft einschr?nkt. Kombiniert man beide Ans?tze miteinander, dann erh?lt die KI physikalische Leitplanken für ihre Berechnungen, und sie kann die Lücken füllen, die fehlende Parameter in den physikalischen Modellen hinterlassen.?
Ebenso vielversprechend sind kausale KI-Modelle, die nicht nur statistische Zusammenh?nge aus Daten herauslesen, sondern auch Ursache-Wirkung-Beziehungen ableiten. Hierfür setzen die Forschenden Variablen miteinander in Beziehung – etwa wie ?kosysteme sich bei Dürre ver?ndern –, beschreiben diese Zusammenh?nge durch mathematische Regeln und erhalten so verl?sslichere Aussagen über m?gliche Konsequenzen. Auch das ?Entdecken? mathematischer Beziehungen durch sogenannte symbolische Regression schl?gt in diese Kerbe. Sie versucht, versteckte Beziehungen in klare Formeln zu gie?en, die leichter interpretierbar und überprüfbar sind.
Au?erdem bezieht das Projekt etwa die sogenannte Dimensionsreduktion ein, bei der KI-Modelle aus vielschichtigen Datens?tzen – etwa aus Satellitenbildern, Vor-Ort-Beobachtung von Pflanzenwachstum und Sensordaten – die entscheidenden Faktoren herauskristallisiert, die für die jeweiligen Fragen entscheidend sind.
Bessere Frühwarnsysteme
Das Jenaer Team ist eng mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis vernetzt, etwa mit dem Deutschen Zentrum für integrative Biodiversit?tsforschung (iDiv)Externer Link, dem Centre for Medium-Range Weather Forecast (ECMWF)Externer Link oder GeoSphere Austria – Bundesanstalt für Geologie, Geophysik, Klimatologie und Meteorologie. Diese Vernetzung hilft, die neuen Modelle anwendungsbezogen zu erproben und über das Projekt hinaus Impulse zu setzen. Auf diese Weise helfen die Forschenden dabei, bessere Frühwarnsysteme für bestimmte Katastrophen zu entwickeln. Zudem lassen sich durch neue KI-Systeme Gefahrenquellen frühzeitig erkennen, was rechtzeitige Gegenma?nahmen erm?glicht. Um Gefahren durch Hangrutsche vorzubeugen, k?nnten bestimmte Gebiete beispielsweise gezielt aufgeforstet werden.
?ber die Carl-Zeiss-Stiftung
Die Carl-Zeiss-StiftungExterner Link hat sich zum Ziel gesetzt, Freir?ume für wissenschaftliche Durchbrüche zu schaffen. Als Partner exzellenter Wissenschaft unterstützt sie sowohl Grundlagenforschung als auch anwendungsorientierte Forschung und Lehre in den MINT-Fachbereichen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 1889 von dem Physiker und Mathematiker Ernst Abbe gegründet, ist die Carl-Zeiss-Stiftung eine der ?ltesten und gr??ten privaten wissenschaftsf?rdernden Stiftungen in Deutschland. Sie ist alleinige Eigentümerin der Carl Zeiss AG und SCHOTT AG. Ihre Projekte werden aus den Dividendenausschüttungen der beiden Stiftungsunternehmen finanziert.
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