
Trocknende W?sche im Innenhof
Foto: IDEAS-Stipendiatin Maria D.Ich sitze im Wohnzimmer vor einer gro?en Fensterwand, drau?en h?ngt meine frisch gewaschene W?sche an der Leine im 6. Stock. Bis heute habe ich jedes Mal Sorge, dass sie runterfallen k?nnte, in den Innenhof des Schachts, der sich hinter dem Fenster befindet. Es ist Ende Februar und ich bin noch in Barcelona. Das Unisemester ist bereits vorbei, tats?chlich hat hier sogar schon vor zwei Wochen das neue Semester begonnen, aber da in Jena die Kurse erst im April starten, dachte ich, dass ich lieber noch etwas l?nger im vergleichsweise warmen Barcelona verbringe. Au?erdem gibt es noch viele Dinge zu tun!
Ich bin Maria und habe gemeinsam mit zwei Kommilitoninnen aus dem Spanischlehramt die vergangenen Monate durch das IDEAS-Stipendium an der Universitat de Barcelona studieren k?nnen. Die Universitat de Barcelona ist eine der ?ltesten Universit?ten Spaniens und unserer Fakult?t (de Filologia am Plaza Universitat) sah man das auch an. Das Geb?ude ist komplett beeindruckend. Es hat einen Glockenturm! Und zwei Goldfischteiche! Und Orangenb?ume, geflieste G?nge, einen Festsaal und einen gro?en Garten! ?Manchmal geh ich noch zur Uni, nicht f¨¹r Veranstaltungen, sondern um einen Kaffee im Garten zu trinken, denn es ist einfach sch?n dort. Einen gro?en Teil meiner Zeit hier habe ich tats?chlich in der Unibibliothek verbracht, aber das macht mich nicht traurig, denn die Bibliothek ist ein ganz bezaubernder Ort.
Dort habe ich Unikram erledigt, aber auch zu der Geschichte Barcelonas und Spaniens gelesen. Spanien ist ein Land, das eine zentrale Rolle als Kolonialstaat gespielt hat, ein Land, das bis Anfang der 70er Jahre eine Diktatur war und ein Land, das sich sehr schwer tut mit der Aufarbeitung dieser Geschichte. Gleichzeitig ist es ein Land mit einer beeindruckenden Tradition syndikalistischer Arbeiter*innenbewegungen und gro?en K¨¹nstler*innen.
Lesen eines Buches in einem Caf¨¦
Foto: IDEAS-Stipendiatin Maria D.Aber ich war nicht nur in der Bibliothek, so strebsam bin ich nun auch nicht. Ich habe auch Museen besucht, in die Mieter*innenbewegung reingeschnuppert und vor allem mich mit Freund*innen zum Kaffee trinken verabredet. Kaffee ist hier n?mlich deutlich g¨¹nstiger und au?erdem gibt es ¨¹berall guten Kaffee aus Siebtr?germaschinen. Filterkaffee ist kein Ding.
Es gibt viele Dinge, die hier anders laufen¡Zum Beispiel war es den gesamten Winter ¨¹blich noch drau?en in Bars zu sitzen, dann halt warm eingepackt in Jacke und Schal, manchmal auch mit M¨¹tze, aber letztendlich wurde es auch selten so kalt, dass es drau?en unertr?glich war zu sitzen. Die Regel kein Bier vor vier, existiert hier auch nicht. Sogar an den Uni-Cafeterias sieht man hier morgens um 10 Uhr schon Leute ihr erstes Bierchen trinken. Vielleicht um sich Motivation f¨¹r die Vorlesungen anzutrinken, denn die waren in meiner Erfahrung recht z?h: frontal, ohne Folien an der Wand, keine Methoden und viele Studierende haben die Vorlesungen quasi Wort f¨¹r Wort mitgeschrieben, am Laptop oder im Heft per Hand. Als ich das zum ersten Mal sah, wusste ich nicht wie mir geschah! Kann aber auch sein, dass ich da einfach Pech hatte mit meinen Kursen. Der Katalanisch-Kurs war dagegen richtig toll und auch mein Seminar an der Kunstfakult?t war sehr interaktiv!
Aus pers?nlichen Gr¨¹nden kam mir der Abstecher ins Ausland ganz gelegen und aus einem vergangenen Erasmus Semester, ebenfalls in Barcelona, wusste ich, dass die Stadt kulturell sehr lebenswert ist. Allerdings war mir auch sehr bewusst wie ¨¹bel der Wohnungsmarkt ist. Damals (2022) fand ich nichts Besseres als ein 4m2 gro?es Zimmer f¨¹r 400€. Zu dem Zeitpunkt ging die Inflation im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg grade erst los. Nun etwas mehr als zwei Jahre sp?ter wusste ich, dass ich ein Zimmer mit mehr als 4m2 brauche, um mich zuhause wohlf¨¹hlen zu k?nnen und saubere und nette Mitbewohner*innen. Die g¨¹nstigste Variante, die ich im Sommer 2024 auf dem spanischen WG-Gesucht ?quivalent Badi (ansonsten kann ich noch idealista und facebook als WG-Suche Plattformen empfehlen) fand, die diesen Bedingungen gerecht wurde, war ein Zimmer in Sant Antoni mit immerhin 8 m2, sehr gute zentrale Lage und ich durfte die Gemeinschaftsr?ume nach Belieben Nutzen und Freund*innen zum Essen nach Hause einladen (keine Normalit?t in Barcelona), das Zimmer allerdings ohne Fenster f¨¹r 645€ monatlich. Dort zog ich ein, aus Sorge, wenn ich es nicht nehmen w¨¹rde, keine bessere Alternative mehr zu finden. Zum Gl¨¹ck ist das DAAD-Stipendium gro?z¨¹gig genug, so dass dieses die Mietkosten decken konnte. Und tats?chlich waren die Mitbewohnerinnen ganz lieb und sauber. Wenn ich mir heute aber Fotos von meinem Zimmer in Jena mit Fenster mit Ausblick auf die Lobdeburg ansehe, kriege ich bisschen Pipi in den Augen!
Architektur in Barcelona
Foto: IDEAS-Stipendiatin Maria D.Ich sch?tze meine Zeit hier in Barcelona sehr wert! Ich habe tolle Freund*innenschaften (auch au?erhalb der Erasmus-Bubble) schlie?en k?nnen und wei?, dass ich immer ein Zuhause hier haben werde, sollte es mich zur¨¹ckverschlagen, aber ich freue mich auch sehr zur¨¹ck in ein Land zu kommen, dessen Sprache meine Muttersprache ist. Wahrscheinlich ist das doch eine meiner pr?gendsten Erfahrungen dieser Zeit gewesen: Dass ich daran erinnert wurde, wieviel es ausmacht eine Sprache flie?end zu sprechen, mit all ihren Facetten. Abends nach einem langen Tag, mit Freund*innen an einem Tisch zu sitzen und noch in der Lage zu sein, sich zu verst?ndigen, sowie der Unterhaltung folgen zu k?nnen. Mein Spanisch ist ziemlich gut und in den vergangenen Monaten auch nochmal deutlich besser geworden, aber letzten Endes macht es doch einen Unterschied, ob es eine Fremdsprache oder die Muttersprache ist, in der sich das Umfeld verst?ndigt. Manchmal habe ich mich wie eingesperrt gef¨¹hlt durch die Sprache, weil in meinem Kopf ein Gedanke war, aber mir die Worte fehlten, um mich auszudr¨¹cken. Es kam vor, dass ich mich dumm gef¨¹hlt habe, wenn ich sprachlich den Inhalten von Unterhaltungen nicht folgen konnte und sprachlich auch nicht genau das ausdr¨¹cken konnte, was ich dachte. So war es auch eine Herausforderung tiefere Freundschaften zu entwickeln, weil sobald das Gespr?ch die Oberfl?chlichkeit verlie?, eben die Gespr?che ein erweitertes Vokabular erforderten. Aber irgendwie hat es dann doch immer funktioniert. Und in der Regel sind die Leute auch superlieb und helfen dir, die Worte zu finden, die dir fehlen. Jedoch habe ich noch viel mehr Respekt f¨¹r die Menschen in meinem Umfeld gewonnen, die nach Deutschland eingewandert sind und sich entschieden haben langfristig in einem Land zu leben, dessen Sprache nicht ihre Muttersprache ist. Ich kann viel besser nachvollziehen, warum abends dann irgendwann der Kopf auch einfach mal abschaltet und man nur noch passiv in Runden teilnehmen m?chte oder aber auch die Relevanz von einem Freund*innenkreis, der die eigene Sprache spricht, wo man sich leichtfertig ausdr¨¹cken kann, wie man es will.