
- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Sch?nfelder
Industrieabw?sser, Gülle, Mikroplastik oder Schwermetalle – die Liste der Schadstoffe, die in Gew?sser gelangen, ist lang. Vor allem von Menschen intensiv genutzte Gew?sser, wie Flüsse, Seen und Küsten, sind in unterschiedlichem Ma?e und mit unterschiedlichsten Stoffen belastet. Um Gefahren für Mensch und Umwelt abzuwenden, hat sich die EU zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 s?mtliche Gew?sser in den EU-Staaten in ihren natürlichen Zustand zurückzuführen.
?Das setzt voraus, dass wir den natürlichen Zustand erst einmal kennen“, sagt apl. Prof. Dr. Peter Frenzel von der Universit?t Jena. ?Und darüber hinaus bedarf es Methoden, die verl?sslich über die Wasserqualit?t Auskunft geben“, so der Forscher vom Institut für Geowissenschaften weiter. W?hrend für letzteres bereits verschiedene biologische und chemische Methoden etabliert sind, ist die Rekonstruktion des vorindustriellen, natürlichen Zustands eines Gew?ssers schwierig.
Archiv des vorindustriellen Gew?sserzustands
Das Team von Peter Frenzel arbeitet an dieser Fragestellung und stellt nun in einer aktuellen Publikation eine kritische ?bersicht von Methoden vor, mit der sich gleich beide Fragestellungen beantworten lassen. Wie die Forschenden im Fachmagazin ?Earth-Science Reviews“ schreiben, sind winzige Muschelkrebse, sogenannte Ostrakoden, geeignete Bioindikatoren für die aktuelle Wasserqualit?t und k?nnen zugleich als Archiv des vorindustriellen Gew?sserzustands herangezogen werden und damit Auskunft über den ursprünglichen Zustand des Gew?ssers geben.
?Ostrakoden reagieren empfindlich auf Umweltver?nderungen wie Salzgehalt, Temperatur und Schadstoffbelastung. Das macht sie für das Monitoring von Seen und Flüssen sehr geeignet“, sagt Dr. Olga Schmitz, die Erstautorin der jetzt vorgestellten Studie. ?Anhand ihrer Artenvielfalt und H?ufigkeit k?nnen wir nicht nur aktuelle und vergangene Umweltbedingungen rekonstruieren, sondern sogar zukünftige Ver?nderungen prognostizieren. Dies kann insbesondere für die Landwirtschaft und das Wassermanagement mit Blick auf den Klimawandel von Bedeutung sein.“
Olga Schmitz hat sich den Ostrakoden im Rahmen ihrer Promotion gewidmet. Die vorgelegte Publikation ist die erste umfassende Zusammenstellung des bisherigen Forschungs- und Wissensstandes zur Rolle von Muschelkrebsen als Bioindikatoren. Die nur bis zu einem Millimeter kleinen Tiere kommen in nahezu allen Gew?ssern vor: in Seen, Flüssen, Lagunen, ja sogar im Grundwasser und in hei?en Quellen. Rund 15.000 heute lebende Arten sind bekannt, etwa 20.000 fossile Vertreter beschrieben. Die mikroskopisch kleinen Krebstiere sind von Kalkschalen umschlossen, die auch nach ihrem Tod lange in Schlamm und Sand des Gew?ssergrundes erhalten bleiben. Diese k?nnen den Forschenden bei ihren Umweltanalysen und als Fossilien für die Rekonstruktion von Milieu- und Klimabedingungen dienen.
KI hilft bei der Identifizierung und Analyse der Kleinstlebewesen
Doch die Geowissenschaftlerin wertet nicht nur vorhandene Studien über Ostrakoden aus. Sie und das Jenaer Team haben auch selbst bereits unterschiedlichste Gew?sser beprobt und die Ostrakodenpopulationen untersucht, vom Gro?en Stechlinsee in Brandenburg bis zu küstennahen Gew?ssern in Südafrika. In Kooperation mit Forschenden der Universit?t Hongkong entwickeln sie heute sogar den Einsatz Künstlicher Intelligenz, um die Muschelkrebse in den Proben unter dem Mikroskop identifizieren, z?hlen und ausmessen zu k?nnen. ?Für unsere Analysen brauchen wir lediglich einen Kubikzentimeter Sediment, um Rückschlüsse auf anthropogene Einflüsse oder vergangene hydrologische Ver?nderungen zu ziehen, was diese Arbeitsweise besonders kostengünstig macht“, unterstreicht Olga Schmitz einen weiteren Vorteil der Methode. Ihre nun ver?ffentlichte ?bersichtsarbeit, so die Hoffnung der Forschenden, k?nnte ma?geblich dazu beitragen, die Ostrakoden künftig gezielt für das Umweltmanagement und die Renaturierung von Gew?ssern in Deutschland und darüber hinaus zu nutzen.
Kalkschalen verschiedener Muschelkrebse aus dem Umlalazi ?stuar in Südafrika. Die Ma?stabsbalkenl?nge entspricht jeweils 100 Mikrometer.
Abbildung: Olga SchmitzOriginal-Publikation:
Olga Schmitz et al. Ostracoda (Crustacea) as indicators of anthropogenic impacts — A review. Earth-Science Reviews 2025. https://doi.org/10.1016/j.earscirev.2025.105049Externer Link