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Meldung vom: | Verfasser/in: Friederike Gawlik
Das Toxin Candidalysin des Hefepilzes Candida albicans ist w?hrend einer Infektion in eine ungew?hnliche Proteinstruktur eingebunden, deren Aufbau die Wissenschaft bislang vor ein R?tsel stellte. Nun gelang es Forschenden des Leibniz-Instituts für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie (Leibniz-HKI), die Funktion der ungew?hnlichen Anordnung zu entschlüsseln. Durch Ver?nderungen an der Proteinstruktur konnte auch die Pathogenit?t des Pilzes vermindert werden. Die neuen Erkenntnisse wurden genutzt, um das Pilztoxin mit Hilfe von künstlichen Antik?rpern unsch?dlich zu machen. Damit er?ffnet sich ein neuer Weg, hartn?ckige Formen der vaginalen Candida-Infektion zu therapieren.
Ein opportunistischer Pilz
Der Hefepilz Candida albicans ist Bestandteil des menschlichen Mikrobioms und lebt normalerweise im Gleichgewicht mit anderen Mikroorganismen. Wird diese Balance jedoch gest?rt, kann der Pilz unkontrolliert wachsen und Infektionen verursachen. Als ?Scheidenpilz“ betrifft C. albicans jedes Jahr Millionen Frauen weltweit. In einigen F?llen versagt die antimykotische Behandlung und es kommt zu chronischen, wiederkehrenden Pilzinfektionen, die die Lebensqualit?t der Betroffenen erheblich einschr?nken und einen gro?en Leidensdruck verursachen.
In faltigem Gewand
Das von dem Pilz ausgeschiedene Toxin Candidalysin ist für Zellsch?digungen im menschlichen Gewebe verantwortlich. Bei einer vaginalen Infektion sind typischerweise heftige Entzündungsreaktionen die Folge, die dem Pilz jedoch nur wenig ausmachen. Stattdessen erh?ht sich die Schwere der Erkrankung.
Candidalysin ist vor der Freisetzung in ein Vorl?uferprotein mit dem Namen Ece1 eingebettet: Insgesamt acht Peptidsequenzen bilden hierbei eine aufgefaltete Struktur, die für solche Toxine sehr unüblich ist. Unklar war bisher, warum das Toxin in diese au?ergew?hnliche Struktur integriert ist und welche Rolle die einzelnen Bestandteile dabei spielen. In einer soeben in Nature Microbiology ver?ffentlichten Studie untersuchte ein internationales Team aus Forschenden des Leibniz-HKI, des Institut Pasteur Paris, des King’s College in London, der University of Wisconsin sowie des Leibniz-Forschungszentrums Borstel deshalb die Struktur von Ece1 sowie bestimmte Peptide daraus, bekannt als NCEPs (Non-Candidalysin-Ece1-Peptides).
Bei fast allen mikrobiellen Peptidtoxinen müssen die produzierenden Zellen Vorsichtsma?nahmen gegen eine Selbstvergiftung treffen. Freies Candidalysin bildet hier eine Ausnahme, es sch?digt die eigenen Pilzzellen nicht. Demnach kann dessen Einbettung in das komplexe Vorl?uferprotein Ece1 nicht mit einem Selbstschutz der Pilzzelle erkl?rt werden. Der Grund für die ungew?hnliche Struktur von Ece1 muss also ein anderer sein.
In weiterführenden Experimenten konnten die Forschenden zeigen, dass das Toxin extrem zur Selbstaggregation und Verklumpung neigt. Daraufhin ver?nderten die Forschenden die Ece1-Struktur, wodurch die korrekte Faltung des Proteins gest?rt wurde. Diese Manipulation hemmte im Laborversuch die Bildung der Pilzhyphen von Candida albicans, was auch die Freisetzung von Candidalysin beeintr?chtigte: das Toxin verklumpte in den Zellen und wurde unwirksam. ?Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass jedes einzelne Peptid im Ece1-Vorl?uferprotein für die Freisetzung von Candidalysin notwendig ist. Die Hauptfunktion des Vorl?uferproteins ist offenbar, eine Verklumpung des Toxins zu verhindern“, erkl?rt Erstautorin Rita Müller. ?So k?nnen die Pilzzellen, die Hyphen, normal funktionieren, w?hrend das Toxin problemlos zu den Wirtszellen gelangen und dort Schaden anrichten kann“, erg?nzt die zweite Erstautorin Annika K?nig.
Mit Nanok?rpern gegen das Toxin
In einer weiteren, im Journal mBio ver?ffentlichten Studie konzentrierten sich die Forschenden auf eine neue Strategie zur Neutralisation von Candidalysin: die Anwendung von Nanok?rpern.
Nanok?rper sind synthetisch hergestellte Antik?rper. Ursprünglich wurden sie aus dem Blut von Kamelen oder Lamas gewonnen. Sie sind viel kleiner und einfacher strukturiert als ihre menschlichen Pendants, dies macht sie wesentlich flexibler als humane Antik?rper. So sind Nanok?rper in der Lage, sich ganz spezifisch an diejenigen Bindungsstellen der Erreger anzudocken, mit denen sich diese an die Wirtszellen anheften. Auf diese Weise blockieren sie den Weg für die Erreger und verhindern eine Infektion. Dieses Prinzip wurde nun erstmals genutzt, um Candidalysin unsch?dlich zu machen.
Bei vaginalen Infektionen mit Candida albicans verursacht Candidalysin Sch?den im Schleimhautgewebe und f?rdert so entzündliche ?berreaktionen des Immunsystems, die zur Verschlechterung der Symptome beitragen. Insbesondere für die chronische, wiederkehrende Form der vaginalen Candidose sind die Behandlungsm?glichkeiten derzeit nur sehr begrenzt. Dabei trifft diese Erkrankung weltweit j?hrlich etwa 138 Millionen Frauen. Die Forschenden untersuchten deshalb die Wirkung von Nanok?rpern auf die Pilzinfektion. In Laborversuchen konnte gezeigt werden, dass spezielle Nanok?rper die Aktivit?t von Candidalysin tats?chlich blockieren k?nnen. Dabei reduzierten die Nanok?rper im Labor Toxin-bedingte Gewebesch?den sehr effektiv, was auch entzündliche Folgereaktionen hemmen würde. Die Nanok?rper wurden von den Forschenden mittels eines speziellen Mikroskopie-Verfahrens – der Immunfluoreszenz – direkt an den von den Pilzhyphen besiedelten Gewebestellen lokalisiert. Mit Hilfe von weiteren Modellierungen im Labor und am Computer war es au?erdem m?glich, Vorhersagen zur Dosierung und zum Zeitpunkt der Nanok?rperzugabe zu treffen, um das Toxin zu neutralisieren.
Nanok?rper, die gegen Candidalysin gerichtet sind, k?nnten also bei der Behandlung von komplizierten wiederkehrenden F?llen der vaginalen Candidose hilfreich sein. Bei einem Vergleich mit dem h?ufig verwendeten Antimykotikum Fluconazol zeigte sich, dass die Kombination beider Therapieformen besonders effektiv ist. ?Zusammen mit diesem Antipilzmedikament k?nnte der Einsatz von Nanok?rpern also eine echte Behandlungsoption für die Erkrankung darstellen“, betont Erstautorin Marisa Valentine. ?Indem man Candidalysin neutralisiert, werden die hyperinflammatorischen Symptome gelindert. Dies k?nnte für viele Patientinnen von gro?er Bedeutung sein“, so ihr Kollege Paul Rudolph, ebenso Erstautor der Studie.
Die genannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten unter der Leitung von Bernhard Hube und Marc Thilo Figge im Rahmen ihrer Dissertation am Candidalysin und dessen Einfluss auf das Infektionsgeschehen. Hube ist Abteilungsleiter für Mikrobielle Pathogenit?tsmechanismen, Figge ist Gruppenleiter für Angewandte Systembiologie am Leibniz-HKI. Beide sind Professoren an der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena. Die Arbeiten wurden unter anderem im Rahmen des Exzellenzclusters Balance of the Microverse vom Freistaat Thüringen, der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und der Europ?ischen Union gef?rdert und darüber hinaus durch den Wellcome Trust, die National Institutes of Health (NIH) sowie das Horizon 2020 Netzwerk FunHoMic der EU unterstützt.
Original-Publikationen:?
Müller R, K?nig A, Groth S, Zarnowski R, Visser C, Handrianz T, Maufrais C, Krüger T, Himmel M, Lee S, Priest EL, Yildirim D, Richardson JP, Blango MG, Bougnoux ME, Kniemeyer O, d’Enfert C, Brakhage AA, Andes DR, Trümper V, Nehls C, Kasper L, Mogavero S, Gutsmann T, Naglik JR, Allert S, Hube B (2024) Secretion of the fungal toxin candidalysin is dependent on conserved precursor peptide sequences. Nature Microbiology, https://doi.org/10.1038/s41564-024-01606-zExterner Link
Valentine M, Rudolph P, Dietschmann A, Tsavou A, Mogavero S, Lee S, Priest EL, Zhurgenbayeva G, Jablonowski N, Timme S, Eggeling C, Allert S, Dolk E, Naglik JR, Figge MT, Gresnigt MS, Hube B (2024) Nanobody-mediated neutralization of candidalysin prevents epithelial damage and inflammatory responses that drive vulvovaginal candidiasis pathogenesis.?mBio, https://doi.org/10.1128/mbio.03409-23Externer Link
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