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Meldung vom: | Verfasser/in: Ute Sch?nfelder
Prof. Dr. Bas E. Dutilh ist Experte für die Modellierung des mikrobiellen Gleichgewichts.
Foto: Jens Meyer (Universit?t Jena)Was bestimmt den Lebensraum – die ?kologische Nische – eines Mikroorganismus? Es sind Umweltfaktoren wie Temperatur, Feuchtigkeit und N?hrstoffgehalt. Aber welchen Beitrag diese im Einzelnen leisten, ist nur schwer vorherzusagen. Ein deutsch-niederl?ndisches Forscherteam hat jetzt die mikrobiellen Nischen neu definiert: Die Forschenden haben bestimmt, welche Mikroorganismen zusammenleben. Unter der Leitung von Prof. Dr. Bas E. Dutilh von der Universit?t Jena und der Universit?t Utrecht stellen die Forscher diesen Ansatz der ?sozialen Nischenbreite“ in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift ?Nature Ecology and Evolution“ vor und erstellten damit die erste ?Landkarte des Mikroversums“.
Ob in hei?en Quellen, im menschlichen Darm oder in der Tiefsee – Mikroorganismen besiedeln so ziemlich jedes Fleckchen der Erde und das unter teils extremen Bedingungen. Je nachdem, wie sich diese Organismen an die vorherrschenden Umweltbedingungen in solchen ?kologischen Nischen angepasst haben, werden sie als ?Generalisten“ oder ?Spezialisten“ klassifiziert. W?hrend Generalisten mit einem breiten Spektrum von Umweltbedingungen zurechtkommen, gedeihen Spezialisten nur unter ganz bestimmten Umst?nden.?
?Eine zentrale Frage bei der Untersuchung solch unterschiedlicher mikrobieller Strategien ist, wie sich mikrobielle ?kologische Nischen überhaupt definieren lassen“, sagt Prof. Dr. Bas E. Dutilh. Bisher sei das vor allem anhand von subjektiven Umweltbedingungen erfolgt, was jedoch kaum eine unvoreingenommene Quantifizierung der Nische zulie?. Der Bioinformatiker vom Exzellenzcluster ?Balance of the Microverse“ Externer Linkder Uni Jena hat deshalb gemeinsam mit Forschenden der Universit?t Utrecht eine neuartige – datengetriebene – Methode zur Beschreibung mikrobieller Nischen verwendet, bei der nicht die ?u?eren Lebensbedingungen, sondern die Artengemeinschaft selbst als entscheidender Umweltfaktor betrachtet wird. Dies funktioniert deshalb, weil sich mikrobielle Gemeinschaften schnell an ihre Umwelt anpassen, so dass ihre Zusammensetzung die Summe aller Umweltfaktoren widerspiegelt.
Die meisten mikrobiellen Lebensr?ume werden von ?Generalisten“ dominiert
Für seine Untersuchung hat das Team tausende Metagenom-Datens?tzen aus verschiedenen mikrobiellen Proben aus aller Welt analysiert und quantitativ erfasst. ?Wir haben festgestellt, dass in den meisten Lebensr?umen die Generalisten dominant sind“, so Dutilh. Dieses Ergebnis hat die Forschenden zun?chst überrascht, gingen sie doch davon aus, dass in lokalen Nischen eher die Spezialisten die Nase vorn haben, da diese besser an die konkreten Bedingungen angepasst sind. Die konkurrierenden Generalisten hingegen konnten viel schneller wachsen und so die Dominanz in der Nische erlangen. ?Allerdings ist es für die Generalisten eine Art Glücksspiel; entweder sie schaffen es oder nicht. Dadurch sind sie in ihrer Pr?senz recht variabel. Die Spezialisten dagegen sind in ihrer Nische stabiler, wenn auch in geringer Zahl.“?
Und auch ein weiteres Ergebnis hatten die Forschenden so nicht erwartet: Die Genome der Generalisten sind nicht besonders gro?. ?Davon war man bislang ausgegangen, weil man dachte, die metabolische Flexibilit?t ben?tige ein generell gr??eres Genom“, berichtet Dutilh. Doch wie sich herausstellte, ist der Zusammenhang zwischen Nischenbereich und Genomgr??e komplexer. ?Wir haben zwei gegens?tzliche evolution?re Strategien festgestellt: In Lebensr?umen mit geringer lokaler Artenvielfalt, wie tierassoziierten Mikrobiomen, haben die Spezialisten ein relativ kleines Genom. In sehr artenreichen Lebensr?umen wie B?den ist das Genom der Spezialisten deutlich gr??er.“?
Die Genome der Generalisten sind variabler als die von Spezialisten, mit Genen, die in der Evolution kommen und gehen. Dies erm?glicht es ihnen, genetische Informationen von anderen Organismen durch horizontalen Gentransfer zu integrieren und sich so schnell an die lokale Nische anzupassen. ?Wir sehen in den Genomen von Generalisten auch spezifische Funktionen, die mit dem horizontalen Gentransfer verbunden sind“, so Dutilh. Die Funktionen von Spezialisten sind wesentlich vielf?ltiger und oft mit sehr spezifischen Stoffwechselprozessen verbunden. Die Genome von Spezialisten sind evolution?r stabil, im Gegensatz zu denen von Generalisten.
?Zusammenfassend l?sst sich sagen, dass unsere Analyse ein neues und unerwartetes Licht auf die Nischenstrategien der Mikroben im gesamten mikrobiellen Lebensbaum wirft“, ist Bas E. Dutilh überzeugt.
Diese Abbildung zeigt die erste "Karte des Mikroversums", die mit t-SNE (t-distributed Stochastic Neighbor Embedding) erstellt wurde, einem Algorithmus zur Verringerung der Dimensionalit?t, der zur Darstellung komplexer Daten auf den zwei Dimensionen eines Blattes Papier verwendet wird. Die Karte besteht aus 22,5 Tausend mikrobiellen Datens?tzen aus 140 verschiedenen Arten von Umgebungen, die mit unterschiedlichen Farben gekennzeichnet sind (nur die 20 wichtigsten Umgebungen sind farbig, der Rest ist grau). Die Abbildung zeigt, wie vielf?ltig diese Umgebungen sein k?nnen. Die Forscher identifizierten generalistische und spezialisierte Bakterien, indem sie ihre Verteilung über diese 22,5 Tausend Datens?tze analysierten.
Illustration: Bas E. DutilhOriginal-Publikation:
F. A. B. von Meijenfeldt, P. Hogeweg, B. E. Dutilh: A social niche breadth score reveals niche range strategies of generalists and specialists, Nature Ecology and Evolution (2023),?https://www.nature.com/articles/s41559-023-02027-7Externer Link