- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
Ohne die evolution?re Herausbildung eines komplexen Verdauungssystems würde es keine gro?en S?ugetiere inklusive Menschen geben. Denn nur dank der effizienten Verarbeitung von Nahrung kann unser Gehirn mit den erforderlichen Energiemengen versorgt werden, die es für all seine aufwendigen Denkprozesse ben?tigt. Für einen durchgehenden Verdauungstrakt ist allerdings – anders als bei ursprünglichen Lebensformen – nicht nur eine Mund?ffnung, sondern auch ein Anus erforderlich, durch den Verdauungsreste den K?rper wieder verlassen.
Doch woher stammt eigentlich das Ende unseres Verdauungssystems und wann taucht es in der Evolution zum ersten Mal auf? Darauf hat nun der Evolutionsbiologe Prof. Dr. Andreas Hejnol von der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von der Universit?t Bergen eine Antwort gefunden: Die hintere ?ffnung findet sich erstmals bei winzigen Würmern, die seit rund 550 Millionen Jahren auf der Erde existieren. Seine Forschungsergebnisse pr?sentiert das Team im Forschungsmagazin ?Nature Ecology & Evolution?.
Die Tiere, die zum Stamm der Xenacoelomorpha geh?ren, sind meist nicht gr??er als ein Reiskorn und leben in der Regel auf dem Meeresboden. ?Einerseits besitzen sie zwar nur eine Mund?ffnung, die Nahrung aufnimmt und den Abfall wieder ausspeit – gleichzeitig geh?ren sie aber zu den ersten sogenannten Bilateria, sind also symmetrisch aufgebaut mit einer linken und einer rechten K?rperh?lfte, so wie auch S?ugetiere und der Mensch?, sagt Andreas Hejnol. ?Sie nehmen also eine sehr interessante Position im Stammbaum der Tiere ein.?
Gleiche Gene bei Spermienkanal und Anus
Bereits vor einigen Jahren hat der Jenaer Zoologe entdeckt, dass Menschen und Xenacoelomorpha für die Bildung ihrer Mund?ffnungen auf die gleichen Gene zurückgreifen. Nun untersuchte er, ob es nicht auch genetische Parallelen gibt, die auf eine verwandte hintere ?ffnung hindeuten – und er wurde fündig. ?Die adulten Tiere bilden meist hinten einen sogenannten Gonoporus aus, einen Kanal, durch den sie Spermien abgeben?, erkl?rt Andreas Hejnol. ?An dieser ?ffnung haben wir nun mehrere Gene entdeckt, die auch für die Bildung des Enddarms verantwortlich sind.?
Um sicherzugehen, dass diese Gene nicht einfach nur auf die hintere Position im K?rper hinweisen, lieferte die Natur den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein hilfreiches Experiment: Bei einer bestimmten Art von Xenacoelomorpha, dem sogenannten Pantherwurm, befindet sich der Gonoporus direkt neben dem Mund im vorderen Bereich des K?rpers – und auch er besitzt die Anus-Gene. Au?erdem sind bei Jungtieren, die noch nicht geschlechtsreif sind und keinen Spermienkanal besitzen, diese Gene nicht exprimiert. Der Gonoporus ist also das entscheidende K?rperteil.
Gro?e S?ugetiere dank komplexer Verdauung
In einer sp?teren Evolutionsstufe hat sich der Darm schlie?lich mit dem Spermienkanal verbunden und der Gonoporus entwickelte sich zum Anus. Wann genau das passiert ist, l?sst sich noch nicht sagen. Die Xenacoelomorpha – und somit auch der Vorl?ufer des Afters – sind rund 550 Millionen Jahre alt. M?glicherweise diente die neu entstandene K?rper?ffnung zun?chst der Verdauung und der Fortpflanzung, wie wir das heute noch beispielsweise von V?geln oder Schnabeltieren kennen, die eine Kloake besitzen. Und auch bei menschlichen Embryonen im Mutterleib teilen sich Genitalien und After zun?chst eine ?ffnung.
?Erst die Herausbildung des Anus erm?glichte eine Verdauung, bei der verschiedene Bereiche mit unterschiedlicher Umgebung die Nahrung nach und nach verarbeiten und alle N?hrstoffe Stück für Stück herausl?sen?, erkl?rt Andreas Hejnol. ?Nur dank dieser viel effizienteren Prozesse konnten S?ugetiere gr??er werden und sich ein so leistungsf?higes Gehirn wie das des Menschen entwickeln, das von allen unseren Organen die meiste Energie ben?tigt.?
"Pantherwürmer" (Hofstenia miamia) in einer Petrischale. Die seit 550 Millionen Jahren existierenden Würmer geh?ren zu den ersten "Bilateria", symmetrisch aufgebauten Tieren mit einer linken und einer rechten K?rperh?lfte, wie auch S?ugetiere.
Foto: Nicole Nerger (Universit?t Jena)Original-Publikation:
C. Andrikou et al. Molecular evidence from xenacoelomorph gonopore formation supports homology with the bilaterian anus, Nature Ecology & Evolution, 2025; DOI: 10.1038/s41559-025-02866-6, https://doi.org/10.1038/s41559-025-02866-6Externer Link
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link