
- Light
- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Hollstein
Dr. Benjamin Kintzel ist Co-Autor des Papers. Er untersucht an einem ESR-Spektrometer (Elektronen-Spin-Resonanz-Spektrometer) spinelektrische Effekte.
Foto: Nicole Nerger (Universit?t Jena)Vor einigen Jahren entwickelten Chemiker der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena ein Molekül, das als potenzielles Qubit – also als Recheneinheit in einem Quantencomputer – funktionieren kann. Mithilfe dieses Kupferkomplexes haben sie nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen der Universit?t Florenz die M?glichkeiten für zukünftige Entwicklungen in der Quantentechnologie enorm vergr??ert. Denn erstmals gelang es ihnen, den Spin?Zustand eines Moleküls direkt mit elektrischen Feldern zu steuern, indem man gezielt in die Wechselwirkungen zwischen den Spins eingreift. ?ber seine Forschungsergebnisse berichtet das Team im Forschungsmagazin ?Nature Communications?.
Um Moleküle als Qubit verwenden zu k?nnen, ist der Spin – also der Eigendrehimpuls der Elektronen – entscheidend. Je langlebiger ein Spin?Zustand ist, desto besser eignet sich das Molekül als Speichereinheit. Darüber hinaus ist die Art und Weise, wie man Spins steuert, ma?geblich für die Leistungsf?higkeit des Qubits.
Doch wie l?sst sich der Spin gezielt ansteuern? ?Normalerweise ist das nur mit magnetischen Feldern m?glich oder über den Umweg einer sogenannten Spin-Bahn-Kopplung, die ausschlie?lich bei Elektronen wirkt, deren Bewegung um den Atomkern nicht kugelsymmetrisch ist, so dass diese Elektronen im starken elektrischen Feld des Kerns aus ihrer Sicht ein wirksames Magnetfeld erfahren, das auf ihren Spin wirkt?, sagt Prof. Dr. Winfried Plass, der das Projektteam an der Universit?t Jena leitet. ?Uns ist es nun erstmals gelungen, direkt von au?en – also ohne Spin-Bahn-Kopplung – durch ein elektrisches Feld auf den Spin einzuwirken.?
Geometrisch frustriertes Spinsystem
?Bei unserem dreikernigen Kupferkomplex liegt ein sogenanntes geometrisch frustriertes Spinsystem vor. Das bedeutet, dass hier drei Spins existieren, die sich eigentlich jeweils antiparallel zu ihren Nachbarn ausrichten m?chten. Aufgrund der Dreiecksanordnung l?sst sich dieser Wunsch aber nicht für alle gleichzeitig erfüllen. Das ist vergleichbar mit drei Magneten an den Ecken eines Dreiecks, die sich jeweils Nord- auf Südpol ausrichten wollen – das gelingt nie für alle zugleich, sodass sich die Spins in einem Kompromisswinkel zueinander anordnen?, erkl?rt der Jenaer Chemiker. ?Die dabei entstehende Drehrichtung – entweder im oder gegen den Uhrzeigersinn – entspricht der Spin-Chiralit?t dieses frustrierten Systems, die zwischen zwei gleichwertigen Zust?nden minimaler Energie unterscheidet.?
An eine solche Formation haben die Forscherinnen und Forscher nun ein elektrisches Feld in der Ebene des Dreiecks, das die drei Spins verbindet, angelegt und das gesamte Spinsystem dadurch manipuliert. Den Einfluss ablesen konnten die Forschenden an einer Ver?nderung der Kopplungskonstante, also dem Wert, der Auskunft darüber gibt, wie stark Spins miteinander wechselwirken. Entscheidend für die Interaktion zwischen elektrischem Feld und Spin ist der Ligand des Moleküls – also die spezielle organische Verbindung, die die drei Spins miteinander verbindet. Die Versuche haben gezeigt, dass sich diese ?Spin-Brücke? vom elektrischen Feld ver?ndern l?sst und die ?nderungen an die Kopplung zwischen den Spins weitergibt.
Projektleiter Prof. Dr. Winfried Plass vom Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universit?t Jena.
Foto: Nicole Nerger (Universit?t Jena)Elektrische Felder erm?glichen leistungsf?higere Quantencomputer
Für ihre Experimente verwendeten die Chemikerinnen und Chemiker eine spektroskopische Methode: die sogenannte Elektronenspinresonanz, kurz: ESR (oder EPR), mit der sich untersuchen l?sst, ob elektrische Felder den Spin-Zustand eines Moleküls beeinflussen – sogenannte spinelektrische Effekte. In einem Kristall aus diesen Kupferkomplexen l?sst sich damit insbesondere die r?umliche Abh?ngigkeit – also die Anisotropie – dieses Effekts untersuchen.
Durch den Beweis, dass sich Spin-Zust?nde in Molekülen direkt durch elektrische Felder beeinflussen lassen, er?ffnet das Forschungsteam neue Perspektiven für die Quantentechnologie. ?Elektrische Felder sind pr?ziser, schneller und leichter zu kontrollieren?, sagt Winfried Plass.??Qubit-Systeme auf dieser Basis k?nnten also leistungsf?higere und energieeffizientere Quantencomputerkonzepte erm?glichen.? Dank der vorliegenden Forschungsergebnisse und der identifizierten Rolle des Liganden lassen sich Moleküle künftig gezielt für solche Anwendungen ma?schneidern.
Original Publikation:
Alberto Cini et al.: Electric control of magnetic exchange in a molecular spin triangle, Nature Communications, 2025, DOI: 10.1038/s41467-025-61417-6, https://www.nature.com/articles/s41467-025-61417-6Externer Link
07743 Jena Google Maps – LageplanExterner Link