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?In welcher Gesellschaft wollen wir leben?“ So lautet das Schwerpunktthema des Deutschland-Monitors 2024, der gerade erschienen ist. Welche Werthaltungen werden in unserer Gesellschaft geteilt? Werden die verfassungsm??ig verbrieften Grundrechte, die Vorstellungen über das soziale Miteinander und die Ausgestaltung der Demokratie von einem breiten Konsens getragen? Lassen sich gegenl?ufige Einsch?tzungen allein mit individuellen Merkmalen der Befragten erkl?ren oder k?nnen sie auch auf unterschiedliche regionale Lebensumfelder (?Kontexte“) zurückgeführt werden? Diese und weitere Fragen verknüpfen das diesj?hrige Schwerpunktthema mit dem auf lange Sicht angelegten Basis-Fragenkanon des Deutschland-Monitors, der vom Institut für Politikwissenschaft der Universit?t Jena mitherausgegeben wird.
Ausgew?hlte Kernbefunde:
- Hohe Zustimmung in der Bev?lkerung für Grundwerte und Freiheitsrechte. Dabei gleiche Zielvorstellungen bei jüngeren Menschen in Ost und West.
- Gro?es Bedürfnis nach ?Sicherheit“ in der Abw?gung mit ?Freiheit“ und ?Gleichheit“.
- Hohe Zustimmung zur Idee der Demokratie (98 %) und zur Verfassungsordnung des Grundgesetzes (79 %).
- Weit verbreitete Unzufriedenheit mit dem Funktionieren der Demokratie, in Ostdeutschland (52 %) st?rker als in Westdeutschland (36 %) empfunden.
- Innerhalb Ostdeutschlands wirken regionale strukturelle Merkmale st?rker auf die Zufriedenheit mit der Demokratie als in Westdeutschland.
- Grund für verst?rkte Unzufriedenheit in strukturschwachen Regionen Ostdeutschlands ist u. a. die dort verst?rkte Sorge vor sozialem und wirtschaftlichem Abstieg.
- Gering ausgepr?gtes gesamtgesellschaftliches ?Wir-Gefühl“ auf nationaler Ebene, hingegen gr??erer wahrgenommener Zusammenhalt auf lokaler Ebene.
- Hohe Erwartungen an Wohlfahrtsstaat und ?ffentliche Leistungen, inzwischen auf gleichem Niveau in Ost und West.
- Bedürfnis nach ?Gerechtigkeit“ ist ein zentrales sozialmoralisches Leitmotiv.
Die Antworten der Befragten zeigen:
In Deutschland gibt es eine breite gemeinsame Wertebasis. Die übergro?e Mehrheit der Bev?lkerung in Ost- und Westdeutschland m?chte in einer Gesellschaft leben, in der freiheitlich-demokratische Grundrechte und Grundwerte gew?hrleistet sind. Weniger Einigkeit besteht darüber, ob einzelne Freiheitsrechte, wie etwa die Presse- und Meinungsfreiheit, auch tats?chlich umgesetzt werden. Wer die Freiheitsrechte als nicht erfüllt ansieht, ist oft auch weniger zufrieden mit dem Zustand der Demokratie und hat geringeres Vertrauen in politische Institutionen.
Ebenfalls ein breiter Konsens besteht über die Demokratie als Staatsform. 98?Prozent sprechen sich dafür aus. Ebenso wird das Grundgesetz als Verfassungsordnung von einer sehr gro?en Mehrheit (80?Prozent) unterstützt. Gr??ere Uneinigkeit besteht hingegen beim gegenw?rtigen Funktionieren der Demokratie: W?hrend sich 64 Prozent der Westdeutschen zufrieden zeigen, sind es bei den Ostdeutschen nur 48 Prozent, die mit dem aktuellen Funktionieren der Demokratie zufrieden sind.
Politikkritische Einstellungsmuster sind in strukturschwachen Regionen weiter verbreitet als in strukturell st?rkeren Regionen der Republik. ?Wo Menschen das Gefühl haben, nicht den gerechten Anteil zu bekommen oder Angst haben, ihren Status einzubü?en, schwindet auch die Unterstützung des politischen Systems und seiner Akteure. Dies drückt sich etwa in Form einer geringen Demokratiezufriedenheit, eines schwachen Institutionenvertrauens und populistischen Einstellungen aus“, so Prof. Dr. Marion Reiser, Politikwissenschaftlerin an der Universit?t Jena sowie Direktorin des Deutschland-Monitors.
In beiden Teilen Deutschlands bestehen hohe Erwartungen an den Wohlfahrtsstaat. Rund drei Viertel aller Befragten ?u?ern die Erwartung, dass der Staat für wesentliche Lebensrisiken eintritt. Dabei haben sich die Einstellungen im Westen an den Osten so weit angepasst, sodass die vormalige Ost-West-Differenz inzwischen ausgeglichen ist.
In Deutschland insgesamt fehlt es aktuell an einem ?Wir-Gefühl“: Lediglich etwa ein Drittel der Befragten hat Vertrauen in andere Menschen. Nur ein Viertel der Befragten glaubt, dass sich die Mitmenschen gegenseitig unterstützen. Nicht einmal jede bzw. jeder Achte bewertet den gesellschaftlichen Zusammenhalt positiv. Die schlechte gesamtgesellschaftliche Bewertung steht im deutlichen Kontrast zur Bewertung des gesellschaftlichen Zusammenhalts am Wohnort, der deutlich positiver benotet wird. Diese positive Erfahrung des lokalen Lebensumfelds bietet, so der Politikwissenschaftler Everhard Holtmann vom Zentrum für Sozialforschung in Halle, eine wichtige Ressource für das gesamte Gemeinwesen.
Bei umstrittenen Themen – etwa Klimaschutz und Migration – sind ablehnende Haltungen in Ostdeutschland h?ufiger verbreitet als in Westdeutschland. Ost-West-Unterschiede finden sich aber vorwiegend bei ?lteren Personen, die in der ehemaligen DDR bzw. alten Bundesrepublik geboren und sozialisiert wurden. Hingegen teilen jüngere Menschen, die im wiedervereinigten Deutschland aufgewachsen sind, in Ost wie West mehrheitlich die gleichen Gesellschaftsbilder. Dies, wie auch der Befund, dass in strukturstarken Ost- und strukturschwachen Westkreisen die Einstellungen nahe beieinander liegen, stützt nach Ansicht von Reinhard Pollak, Soziologe am GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Mannheim, die These des Deutschland-Monitors, dass die Annahme einer generellen Ost-West-Differenz nicht mehr der Realit?t entspricht.
Hintergründe zur Studie
Der Deutschland-Monitor ist eine neu entwickelte, j?hrlich erhobene, wissenschaftliche Studie zu politischen Einstellungen und gesellschaftlichen Stimmungslagen in Deutschland. Die Studie wird von einem Konsortium von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Zentrum für Sozialforschung Halle (ZSH), dem Institut für Politikwissenschaft der Universit?t Jena und dem GESIS Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften Mannheim erstellt. Der Deutschland-Monitor ist auf Anregung der Kommission 30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit initiiert worden und wird w?hrend seiner dreij?hrigen Testphase 2023–2025 durch eine Zuwendung des Beauftragten der Bundesregierung für Ostdeutschland gef?rdert.
Um die Bundesrepublik in ihrer regionalen Vielf?ltigkeit erfassen zu k?nnen, basiert der Deutschland-Monitor auf einer methodisch innovativen Anlage zweier Stichproben. Die erste Stichprobe repr?sentiert mit ca. 4.000 Befragten die Bev?lkerung ab 16 Jahren in Deutschland. Die zweite Stichprobe ist eine Regionalstichprobe in jeweils ausgew?hlten strukturstarken und strukturschwachen Stadt- und Landkreisen in Ost- und Westdeutschland, mit weiteren ebenfalls repr?sentativ ausgew?hlten 4.000 Befragten. Dank dieser einzigartigen Studienanlage k?nnen sowohl deutschlandweite als auch regionale Entwicklungen untersucht und gegeneinander kontrastiert werden. Zus?tzlich werden qualitative Fokusgruppeninterviews durchgeführt, welche die Befunde der standardisierten Befragungen vertiefen.
Im Jahr 2024 fanden die bundesweite Repr?sentativerhebung im April/Mai, die regional vertiefende Erhebung im Mai/Juni und die Fokusgruppeninterviews im September statt.
Der vollst?ndige Hauptbericht des Deutschland-Monitors 2024 kann von der Projekthomepage https://deutschland-monitor.info/Externer Link heruntergeladen werden.
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