
Meldung vom: | Verfasser/in: Christine Coester
Zur Original-Meldung
Eine neue Sammlung von Studien über künstliches Licht bei Nacht zeigt, dass die Auswirkungen der Lichtverschmutzung weitreichender sind als gedacht. Selbst geringe Mengen künstlichen Lichts k?nnen Artengemeinschaften und ganze ?kosysteme st?ren. Die in der Fachzeitschrift Philosophical Transactions of the Royal Society B ver?ffentlichte Sonderausgabe mit 16 wissenschaftlichen Studien befasst sich mit den Auswirkungen der Lichtverschmutzung auf komplexe ?kosysteme, darunter Boden-, Grasland- und Insektengemeinschaften. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversit?tsforschung (iDiv) und der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena betonen in der Sonderausgabe den Dominoeffekt, den Lichtverschmutzung auf Funktionen und Stabilit?t von ?kosystemen haben kann.
Weltweit nimmt künstliche Beleuchtung zu – auch der Nachthimmel wird damit immer heller. Die Lichtverschmutzung, die jedes Jahr um bis zu zehn Prozent zunimmt, unterbricht die natürlichen Lichtzyklen, die im Laufe der Erdgeschichte weitgehend konstant waren. Diese Zyklen sind für Organismen, die auf Licht als Energie- und Informationsquelle angewiesen sind, lebenswichtig. Bislang konzentrierten sich Studien, die die Auswirkungen von Lichtverschmutzung untersucht haben, weitgehend auf die menschliche Gesundheit und auf einzelne Arten. Die Untersuchung ganzer ?kosysteme, in denen Arten durch vielf?ltige Interaktionen miteinander verbunden sind, blieb hingegen meist au?en vor. ?Arten existieren nicht isoliert, sondern interagieren auf vielf?ltige Weise“, erkl?rt Dr. Myriam Hirt von iDiv und der Universit?t Jena, die gemeinsam mit Dr. Remo Ryser die Herausgabe der Sonderausgabe redaktionell leitete. ?Unser Ziel war es, besser zu verstehen, wie sich die Aufhellung des Nachthimmels auf ganze ?kosysteme und die damit verbundenen ?kosystemleistungen auswirkt.“
Mithilfe des iDiv-Ecotrons, das aus mehreren kontrollierbaren ?kosystemen (sogenannten EcoUnits) besteht, simulierten und ver?nderten die Forscherinnen und Forscher die n?chtlichen Lichtverh?ltnisse. Zu den wichtigsten Ergebnissen in diesem Zusammenhang geh?ren:
- Die Auswirkungen von künstlichem Licht erreichen auch unterirdische Bodengemeinschaften und beeinflussen die Bodenatmung sowie die Effizienz der Kohlenstoffnutzung
- Künstliches Licht beeinflusst die Aktivit?t von Insekten, was unter anderem zu h?heren Pr?dationsraten in der Nacht führte, es gab also mehr Jagdverhalten
- Künstliches Licht führt zu einer Verringerung der pflanzlichen Biomasse und Diversit?t, sowie zu Ver?nderung von Pflanzenmerkmalen, wie die Behaarung der Bl?tter
- Durch künstliches Licht k?nnen sich die Zeitr?ume, in denen Arten aktiv sind, verschieben bzw. angleichen, was zu gr??eren ?berschneidungen in deren Aktivit?t führt und letztlich den Fortbestand von Arten beeinflussen kann
Die Studien zeigten auch, dass selbst geringe Intensit?ten der Lichtverschmutzung – weniger als bei Vollmond – tiefgreifende Auswirkungen haben, nicht nur auf das Verhalten und die physiologischen Reaktionen einzelner Arten, sondern sich auch auf komplexeren Ebenen widerspiegeln, etwa in Gemeinschaften und ?kologischen Netzwerken, wie zum Beispiel Nahrungsnetzen. ?Wie die einzelnen Arten auf künstliches Licht reagieren und in welcher Beziehung sie zueinander stehen, beeinflusst, wie das gesamte ?kosystem reagiert. So ver?ndert beispielsweise eine Verschiebung der Aktivit?t von tagaktiven und d?mmerungsaktiven Arten in die Nacht die Aussterberisiken in der gesamten Artengemeinschaft“, sagt Dr. Remo Ryser von iDiv und der Universit?t Jena.
Eine weitere Studie in der Sonderausgabe untersuchte, wie künstliches Licht indirekte Kaskadeneffekte hervorruft, die sich auch auf den Menschen auswirken. So kann künstliches Licht bei Nacht zum Beispiel die H?ufigkeit und das Verhalten von Stechmücken beeinflussen. Die Studie zeigt, dass künstliches Licht zu Ver?nderungen in der zeitlichen Abfolge wichtiger Verhaltensweisen der Mücken führt, wie der Wirtssuche, der Paarung und der Flugaktivit?t. Dies k?nnte weitreichende Folgen für die ?bertragung von Krankheiten wie Malaria haben. In einer anderen Studie wurde untersucht, wie verschiedene Beleuchtungsstrategien die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht abmildern k?nnen. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weisen jedoch darauf hin, dass die Eind?mmung von Lichtverschmutzung einen nuancierten Ansatz erfordert, da die Auswirkungen auf die verschiedenen Arten sehr unterschiedlich sein k?nnen. Entsprechend k?nnten vorbeugende Ma?nahmen m?glicherweise nicht universell anwendbar sein.
Aufgrund der stetigen Zunahme der künstlichen Beleuchtung auf der ganzen Welt finden sich immer weniger Regionen, in denen es wirklich dunkel ist – mit m?glichen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen und auf ?kosysteme. Mit der Sonderausgabe m?chten die Autorinnen und Autoren weitere Forschung und Ma?nahmen anregen, die nicht nur dazu beitragen, die sch?dlichen Auswirkungen der Lichtverschmutzung zu mindern, sondern auch die Bedürfnisse von Gesellschaft und Natur zu berücksichtigen. ?Natürlich hat künstliches Licht bei Nacht viele Vorteile“, sagt Dr. Myriam Hirt. ?Aber wir dürfen auch seine negativen Auswirkungen nicht au?er Acht lassen.“
In mehreren Studien wurde das iDiv-EcoTron genutzt, um die Lichtverh?ltnisse in der Nacht zu simulieren und zu ver?ndern.
Foto: Myriam HirtOriginal-Publikation
Myriam R. Hirt, Darren M. Evans, Colleen R. Miller, Remo Ryser (2023). Light pollution in complex ecological systems. Philosophical Transactions of the Royal Society B, DOI: https://doi.org/10.1098/rstb/378/1892Externer Link
Puschstra?e 4
04103 Leipzig Google Maps – LageplanExterner Link