
- Forschung
Meldung vom: | Verfasser/in: Till Mundzeck
Zum ersten Mal haben Forscher live verfolgt, was bei einem Asteroideneinschlag in dem getroffenen Material genau vor sich geht. Das Team von Falko Langenhorst von der Universit?t Jena und Hanns-Peter Liermann von DESY hat dazu einen Asteroideneinschlag mit Quarz im Labor nachgestellt und quasi in Zeitlupe in einer Hochdruckzelle ablaufen lassen. Dabei verfolgten die Forscher das Ereignis mit DESYs R?ntgenlichtquelle PETRA III. Die Beobachtung enthüllt einen Zwischenzustand in dem untersuchten Quarz und l?st damit ein Jahrzehnte altes R?tsel über die Entstehung charakteristischer Strukturen in dem an der Erdoberfl?che allgegenw?rtigen Mineral. Die Analyse hilft, Spuren vergangener Einschl?ge besser zu verstehen, und hat m?glicherweise darüber hinaus auch Bedeutung für ganz andere Materialien. Die Forscher stellen ihre Ergebnisse im Fachblatt "Nature Communications" vor.
Asteroideneinschl?ge sind katastrophale Ereignisse, bei denen riesige Krater entstehen und manchmal Teile des Erdgesteins aufgeschmolzen werden. "Dennoch sind Krater erdgeschichtlich oft schwer nachzuweisen, denn durch Erosion, Verwitterung und Plattentektonik verschwinden sie im Laufe von Jahrmillionen", erl?utert Langenhorst. Daher dienen als Nachweis für einen Einschlag h?ufig Minerale, die durch die Wucht des Einschlags charakteristische Ver?nderungen erfahren. So wandelt sich der auf der Erdoberfl?che allgegenw?rtige Quarzsand (Siliziumdioxid, SiO2) durch so einen Einschlag schrittweise in Glas um, wobei die Quarzk?rner dann von mikroskopischen Lamellen durchzogen werden. Diese Struktur l?sst sich erst unter dem Elektronenmikroskop detailliert erkunden und ist beispielsweise in Material aus dem relativ jungen Barringer-Krater in Arizona (USA) zu finden.
Der Barringer-Krater in Arizona entstand vor etwa 50 000 Jahren durch den Einschlage eines rund 50 Meter gro?en Eisenmeteoriten.
Foto: US Geological Survey"Seit mehr als 60 Jahren dient dieses lamellenartige Glas als Indikator für einen Asteroideneinschlag, aber niemand wusste bisher, wie es überhaupt zu dieser Struktur kommt", sagt Liermann. "Dieses Jahrzehnte alte R?tsel haben wir nun gel?st." Die Forscher hatten dazu jahrelang Techniken weiterentwickelt, mit denen sich Materialien unter Hochdruck im Labor untersuchen lassen. Dazu wird die Probe in der Regel in einer sogenannten Stempelzelle zwischen zwei kleinen Diamanten zusammengepresst. So lassen sich kontrolliert extreme Drücke wie im Erdinneren - oder wie bei einem Asteroideneinschlag - erzeugen.
Charakteristische Lamellen
Für seine Versuche verwendete das Team eine dynamische Diamantstempelzelle, in der sich der Druck w?hrend der Messung sehr schnell ver?ndern l?sst. Darin pressten die Forscher kleine Siliziumdioxid-Kristalle mit sehr regelm??igem Kristallgitter immer st?rker zusammen und durchleuchteten sie w?hrenddessen mit dem intensiven R?ntgenlicht von PETRA III, um ihre innere Struktur zu erkunden. "Die Kunst ist, den simulierten Asteroideneinschlag langsam genug ablaufen zu lassen, um ihn im R?ntgenlicht verfolgen zu k?nnen, aber nicht zu langsam, so dass die für einen Asteroideneinschlag typischen Effekte noch entstehen k?nnen", sagt Liermann. Als richtige Zeitdauer erwiesen sich dabei Experimente im Sekundenma?stab.
"Wir konnten beobachten, dass sich die Quarzstruktur bei einem Druck von ungef?hr 180 000 Atmosph?ren pl?tzlich in eine enger gepackte ?bergangsstruktur umwandelt, die wir Rosiait-artig nennen", berichtet Erstautor Christoph Otzen, der seine Doktorarbeit über diese Untersuchungen schreibt. "In dieser Kristallstruktur schrumpft der Quarz um ein Drittel seines Volumens. Die charakteristischen Lamellen formen sich genau dort, wo der Quarz diese sogenannte metastabile Phase bildet, die vor uns noch niemand in Quarz hat identifizieren k?nnen." Rosiait ist ein oxidisches Mineral, nach dem die auch bei anderen Materialien bekannte Kristallstruktur benannt worden ist. Es besteht nicht aus Siliziumdioxid, sondern ist ein Bleiantimonat (eine Verbindung aus Blei, Antimon und Sauerstoff).
Kollaps in ungeordnete Struktur
"Je h?her der Druck steigt, desto gr??er wird der Anteil mit Rosiait-artiger Struktur im Quarz", erl?utert Otzen. "L?sst der Druck wieder nach, wandeln sich die Rosiait-artigen Lamellen aber nicht in die ursprüngliche Struktur von Quarz zurück, sondern sie kollabieren zu Glaslamellen mit ungeordneter Struktur. Diese Lamellen sehen wir auch in Quarzk?rnern aus Ablagerungen von Asteroideneinschl?gen." Menge und Orientierung der Lamellen lassen dabei Rückschlüsse auf den Druck beim Einschlag zu. "Seit Jahrzehnten werden solche Lamellen zum Nachweis und zur Analyse von Asteroideneinschl?gen genutzt", betont Langenhorst. "Aber erst jetzt k?nnen wir ihre Entstehung genau erkl?ren und verstehen."
Für die Untersuchung haben die Forscher nicht die gr??ten technisch m?glichen Drücke verwendet. "Im Bereich der h?chsten Drücke entsteht so viel Hitze, dass das Material schmilzt oder verdampft", erl?utert Langenhorst. "Aufgeschmolzenes Material, das wieder zu Gestein erstarrt, gibt uns erstmal keine nützliche Auskunft. Wichtig ist jedoch genau der Druckbereich, in dem Minerale charakteristische Ver?nderungen im festen Zustand durchlaufen, und genau das haben wir in diesem Fall untersucht."
Durch den simulierten Asteroideneinschlag entstehen in den untersuchten Quarzkristallen winzige, nur einige Dutzend Nanometer breite Glaslamellen, die erst im Elektronenmikroskop sichtbar werden.
Foto: Falko Langenhorst, Christoph Otzen (Universit?t Jena)Bedeutung für andere Materialien?
Die Ergebnisse k?nnten über die Erforschung von Asteroideneinschl?gen hinaus Bedeutung haben. "Was wir beobachtet haben, k?nnte eine Modellstudie für die Glasbildung auch ganz anderer Materialien wie beispielsweise Eis sein", betont Langenhorst. "Eventuell ist es ein typischer Weg, dass eine Kristallstruktur sich bei schneller Kompression in einem Zwischenschritt in eine metastabilen Phase umwandelt, die dann in die ungeordnete Glasstruktur übergeht. Auch das wollen wir weiter untersuchen, denn das w?re von gro?er Bedeutung für die Materialforschung."
Mit dem bei DESY geplanten Ausbau von PETRA III zum weltbesten R?ntgenmikroskop PETRA IV werden solche Untersuchungen in Zukunft noch realistischer m?glich sein. "Die 200mal h?here Intensit?t der R?ntgenstrahlung wird uns erlauben, diese Experimente 200 Mal schneller ablaufen zu lassen, so dass wir einen Asteroideneinschlag noch realistischer simulieren k?nnen", sagt Liermann.
Original-Publikation
Evidence for a rosiaite-structured high-pressure silica phase and its relation to lamellar amorphization in quartz; Christoph Otzen, Hanns-Peter Liermann, Falko Langenhorst; "Nature Communications", 2023;?https://doi.org/10.1038/s41467-023-36320-7Externer Link