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Meldung vom: | Verfasser/in: Sebastian Tilch
Die Zahl der Insekten geht in den vergangenen Jahrzehnten in vielen Teilen der Welt zurück. Schutzgebiete k?nnten einen wesentlichen Beitrag zum Schutz bedrohter Insektenarten leisten, doch Forschende unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversit?tsforschung (iDiv), der Friedrich-Schiller-Universit?t Jena, des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universit?t Queensland fanden jetzt heraus, dass 76 Prozent der erfassten Insektenarten weltweit nicht ausreichend durch Schutzgebiete abgedeckt sind. In der Zeitschrift "One Earth" empfehlen die Forschenden Entscheidungstr?gern, die mit Abstand gr??te Artengruppe bei der Umsetzung der neuen Ziele der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt angemessen zu berücksichtigen.
Gesch?tzt über 80 Prozent aller Tierarten sind Insekten. Diese Artengruppe spielt in fast allen ?kosystemen eine entscheidende Rolle. Insekten best?uben über 80 Prozent der Pflanzen, haben eine Schlüsselfunktion im natürlichen N?hrstoffkreislauf und bei der Sch?dlingsbek?mpfung und dienen Tausenden von Wirbeltierarten als wichtige Nahrungsquelle. Dennoch wurden Insekten in der Vergangenheit von Naturschutzprogrammen weitgehend übersehen – und selbst auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzorganisation IUCN machen sie nur acht Prozent aus.
Frühere Studien haben gezeigt, dass Schutzgebiete bedrohte Insektenarten erhalten k?nnen, wenn sie auf dieses Ziel zugeschnitten sind und mit ihren Verbreitungsgebieten übereinstimmen. Um festzustellen, welcher Anteil der Insektenarten weltweit in Schutzgebieten vorkommt, hat ein Forschungsteam unter der Leitung von iDiv, UFZ und den Universit?ten Jena und Queensland die Daten von 89.151 Insektenarten, deren Verbreitung in der gr??ten Biodiversit?tsdatenbank, der Global Biodiversity Information Facility (GBIF), registriert ist, mit globalen Karten von Schutzgebieten abgeglichen. Einen Anhaltspunkt für eine ausreichende Abdeckung von Arten durch Schutzgebiete bieten die Globalen Standards der IUCN für die Identifizierung von Schlüsselgebieten der biologischen Vielfalt (Key Biodiversity Areas).
Das Forschungsteam stellte fest, dass 76 Prozent der weltweit erfassten Insektenarten in Schutzgebieten nur unzureichend vertreten sind, darunter mehrere stark gef?hrdete Arten wie die Dinosaurierameise (Nothomyrmecia macrops), die Blutrote Hawaii-Wasserjungfer (Megalagrion leptodemas) und die B?renspinnerart Apantesis phalerata. Bei 1.876 Arten aus 225 Familien überschneiden sich die weltweiten Verbreitungsgebiete überhaupt nicht mit Schutzgebieten.
Das Defizit ist viel gr??er als bei Wirbeltieren
Der Erstautor der Studie, Dr. Shawan Chowdhury, Postdoktorand an der Universit?t Jena, am iDiv und UFZ zeigte sich überrascht über das Ausma? der Unterrepr?sentation. ?Viele Insektendaten stammen aus Schutzgebieten, daher dachten wir, dass der Anteil der Arten, die in Schutzgebieten zu finden sind, h?her sein würde“, sagt Chowdhury. ?Das Defizit ist auch viel gr??er als bei Wirbeltieren, bei denen eine ?hnliche Analyse eine unzureichende Schutzgebietsabdeckung für 57 Prozent der Arten ergeben hat.“
Insekten waren in einigen Regionen besser geschützt als in anderen, beispielsweise in Amazonien, Süd- und Mittelamerika, Afrika südlich der Sahara, Westaustralien und auch Mitteleuropa. In Nordamerika, Osteuropa, Süd- und Südostasien sowie weiten Teilen Australiens hingegen war der Schutz durch Schutzgebiete für viele Arten unzureichend.
?Insekten wurden bei der Ausweisung neuer Schutzgebiete h?ufig nicht als Schwerpunktgruppe berücksichtigt“, sagt Chowdhury. ?In der Regel sind es die Wirbeltiere, auf die die Schutzziele zugeschnitten werden, und deren Anforderungen an den Lebensraum sind h?ufig ganz andere als die der Insekten. Für eine Artengruppe, die einen so gro?en Teil des Tierreichs ausmacht und vielf?ltige ?kosystemfunktionen erfüllt, ist das beunruhigend.“
Insekten viel st?rker berücksichtigen
Die Mitgliedsstaaten des UN-?bereinkommens über die biologische Vielfalt (CBD) haben kürzlich ein neues globales Rahmenwerk für die biologische Vielfalt verabschiedet, unter anderem mit dem Ziel 3, das dazu aufruft, mindestens 30 Prozent der Land-, Binnengew?sser-, Küsten- und Meeresfl?chen durch Schutzgebiete effektiv zu erhalten. Nach Ansicht der Autorinnen und Autoren sollten Insekten bei der Auswahl und Planung neuer Gebiete viel st?rker berücksichtigt werden.
?Um dies weltweit umsetzen und den Erfolg effektiv bewerten zu k?nnen, sind jedoch wesentlich bessere Daten erforderlich, vor allem in Regionen mit hoher biologischer Vielfalt wie den Tropen, die in den Monitoringprogrammen bisher v?llig unterrepr?sentiert sind“, sagt Letztautor Prof. Richard Fuller von der Universit?t Queensland. ?Bürgerwissenschaft k?nnte einen enormen Einfluss auf die Schlie?ung der Datenlücke bei der Verbreitung von Insekten haben. Wissenschaftler und politische Entscheidungstr?ger müssen jetzt aktiv werden und bei der Ermittlung von Gebieten helfen, die für den Schutz von Insekten wichtig sind.“
Diese Forschung wurde u. a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT-118) finanziert.
Delias eucharis, ein mittelgro?er Schmetterling, der in vielen Gebieten Süd- und Südostasiens vorkommt, ist ein Beispiel für eine unzureichend vertretene Insektenart in Schutzgebieten und wurde noch nicht von der Roten Liste der IUCN ausgewertet.
Foto: Shawan ChowdhuryOriginal-Publikation:
Chowdhury, S., Zalucki, M. P., Hanson, J. O., Tiatragul, S., Green, D., Watson, J. E. M., Fuller, R. A. (2023): Three quarters of insect species are insufficiently represented by protected areas. One Earth. DOI: 10.1016/j.oneear.2022.12.003Externer Link
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